Auch im Kibuz Hame'uchad verursachte das Buch eine Kettenreaktion von Auseinandersetzungen, nicht unbedingt literarischen. Hier spielte sich die Diskussion der
Lnge des schon bekannten Risses nach ab - die Ideologen der 'Achdut Awoda' und Wirtschaftler der 'Mapai'. Die Ideologen sahen in Malitz' Buch schon beinahe eine Gottes- lsterung, ein Infragestellen
des Glaubens kurzweg, die Gegenseite Protest gegen eine versteinerte Ideologie - alles Dinge, die vielleicht die Grundstze des Kibuz Hme'uchad be- rhrten, aber, meines Erachtens nach, wenig mit dem Buch von Malitz zu
tun hatten. Malitz hat nicht mit seinem Buch "die Saat der Spaltung des Kibuz Hame'uchad gest' wie so einige behaupteten (so wenig wie Harriet Beacher Stove's 'Onkel Tom's Htte' den amerikanischen Brgerkrieg
entfesselte). Malitz hat nicht mehr als eine Satyre geschrieben auf die Kibuzniks um ihn herum - so wie zehn Jahre spter Dan Gelbert aus Alonim, der Karikaturist der
wchentlichen Kibuzzeitung, zum tiefen Herzleid und schwarzem rger der Kleiderkammern den Kibuznik immer mit einem Riesenflicken auf dem Hosenbein zeichnete...
Viele, aus verschiedenen Schichten des jdischen Sektors im Lande, wollte ihr Glck in Aschdot Ja'akov versuchen, fr lngere oder krzere Zeit, aus freiem Willen oder gezwungener
Maen, Neueinwanderer oder Alteingesessene, Leute aus dem Volk oder Berhmtheiten - ich weis nicht was den Meschek veranlate so offenherzig die Anliegen zu gewhren. Zwischen den
Bekannteren, die sich zeitweilig in Aschdot Ja'akov niederlassen wollten, war der Dichter Schlonsky, der aber nicht lange standhielt. Er lernte schnell, da es angenehmer ist, ber die Arbeit Romane zu schreiben, als selbst zu
arbeiten - so oder hnlich drckte er sich Bekannten gegenber aus. Zu unserer Zeit kam, fr ein Jahr, der Maler Jechesk'el Streichman mit Familie in den Meschek. Er war aufgeschlossen und gutmtig, ich arbeitete mit ihm in den
Bananen. Seine Frau war Rythmik- und Tanzlehrerin und fand ihren Platz in der Schule. Die Familie passte sich ausgezeichnet an. Ein Jahr spter, bei seiner Rckkehr nach Tel-Aviv, prsentierte er
dem Meschek ein groes lgemlde, Bananen mit Frucht, das seinen Platz im Lesesaal fand. Die Fachleute - die Bananenarbeiter, nicht die Knstler - fanden am dem Bild einiges auszusetzen: Streichman
hatte die Bananen nach unten gebogen gemalt, und nicht nach oben, wie die Natur es verlangt, ein unverzeihlicher Lapsus.
Man nahm Menschen auf auf Anliegen der Bewegung oder der Jewish Agency, icht immer verstndlich, warum. Ein solcher fall war ein lterer Mann, Wiener, der irgendwie an die
Kste des Landes angesplt worden war. Sein name war Kendy, er stellte sich als Theaterfachmann vor und als Regisseur. Er schien eine ganze Reihe bekannter Schauspieler im Land zu kennen. Er behauptete frher Mitglied eines
britischen Film-Teams gewesen zu sein, das Propagandafilme fr die Armee drehte. Ivrit konnte er nicht, es fehlte ihm aber nicht. an Gesprchspartnern. Alles was er erzhlte schien irgendwie zu stimmen, wies auf
Fachkenntnisse hin. Was konnte er schon im Meschek tun? Kaum etwas, aber von 'Oben' kam ein Wink, er wrde nicht lange in Aschdot bleiben, wrde in Krze heiraten. Tatschlich, von mal zu mal besuchte ihn eine elegante, gut aussehende
Frau, in vortgeschrittenem Alter. Kendys Gesundheitszustand war nicht gut. Er war aber immer guter Laune und zu Gespchen bereit und die Gebildeteren fanden ihn in der Weltliteratur absolut bewandert. Eines schnen Tages erlitt er
einen Herzanfall und verschied nach zwei Stunden. Die Beteiligung an der Beerdigung war gro. Der Mann vom Kulturkommitee, selbst Schriftsteller, hielt die Trauerrede und sprach am offenen Grabe ber das Judenschicksal unserer Tage,
das Familien zerreisst und Verwandte trennt. Am Grabe stand auch die Frau, die Besucherin und schien von der Eulogie etwas berrascht zu sein. Nachher wandte sich jemand an sie und bat noch um Einzelheit ber Kendy; praktisch kannte
ihn ja niemand. Die Frau sagte nur, sie knne nicht darber sprechen. "Was wissen Sie denn", sagte sie noch, drehte sich um und ging in den Abend hinaus.
Zwei ltere Mdels aus Marokko (immer kamen Einwanderer aus Marokko) kamen eines Tages in den Meschek und behaupteten in Rabbat Hofschneiderinnen gewesen zu sein. man nahm sie in
die Nhstube, an Schneiderinnen mangelte es immer. Eines kam eine Frau mit einem groen Stck crpe de chine, wer weis woher, vielleicht noch von ihrer Mutter aus Odessa, und wandte sich an die Neuen: ob sie ihr ein Kleid daraus
machen knnten? "Kein Problem, wir mssen nur Ma nehmen". Anstatt nach einem Zentimeterma zu suchen nahmen sie den Stoff in die Hand, hielten ihn dicht an der Krper der Frau und rissen ihn nach den Konturen. Alle Umstehenden
erbleichten. "Keine Angst", lachten die Mdels, "alles kommt in Ordnung". Und wirklich, das Ergebnis war ber alle Erwartungen - Haute Couture! Wer's nicht glaubt, frag die Alten in Aschdot.
Man sagt, da bei den Kriegsgewinnlern des zweiten Weltkrieges Palstina an zweiter Stelle gesatanden habe, nach gypten. Reichtum aber verteilt sich nie gleichmig, am allerwenigsten
Kriegsgewinne. Auch in Erez Jisrael gab es viele Familien, die nicht ihr Brot fanden und nicht nur Neueinwanderer. Auch whrend des Krieges herrschte Arbeitslosigkeit in den Stdten und trotz des viel niedrigeren Lebensstandart in
den Kibuzim, zogen das nicht wenige der tglichen Ungewissheit des Broterwerbs vor. Der Kibuz war bereit Ehepaare aus der Stadt aufzunehmen, wenn Raum fr die Kinder in den passenden Altersstufen zur Ver-
fgung stand. Berufliche Krfte waren gesucht, Handwerker, aber auch Leute mit Bildung. Nicht jeder Versuch war von Erfolg gekrnt. Da war eine Familie, die kam aus Sch'chunat Hatikwa (Tel-Aviv) mit Pferd und Wagen. Nach ein paar
Wochen lud sie ihre paar Sachen wieder auf und kehrte zurck von wo sie gekommen. Auch eine Familie aus Haifa, Lastwagenchauffeur einer groen Firma, versuchte sein Glck. Ein halbes Jahr hielt die Familie es aus. Und dann war da ein
Lehrerehepaar, mit einer weitaus jngeren Frau, 'Jekete' mit Namen Lottchen, die versuchte ihren Mann los zu werden, auf dem Wege eines Tausch-geschfts.
Nicht jeder, der im Kibuz landete, wusste von vornherein, wohin er ging. Unter den Schafhirten war ein lterer Junggeselle, Jemenite, viele Jahe im Kibuz und im Betrieb. Seine
Verwandtschaft in Tiberias fand es nun an der Zeit, eine passende Ehefrau fr ihn zu finde. In Aschdot Ja'akov gab es so etwas fr ihn nicht, in Tiberias aber lebte eine Reihe hochangesehener jemenitischer Familien mit genug
heiratsfhigen Tchtern auch fr ihn. Die Vorgeschlagene war auch schon 'aus dem Schneider', nicht Jede rennt einem 'Alten' nach und schon garnicht in den Kibuz. Nach ein oder zwei Besuchen aber war die Jungfrau bereit die Ehe
einzugehen und im Kibuz zu leben. Die Trauung fand im Meschek auf einem groen Rasen statt. Ein Schaf wurde nach alter Sitte geschlachtet und auf offenem Feuer gebraten, das Glck fand keine Grenzen. Problematisch wurde die Sache,
als der Kibuz fr die junge Frau einen geeigneten Arbeitsplatz finden wollte. Protestgeschrei. Die Mutter der Braut: "Versteht Ihr enn nicht, das junge(!) Mdchen hat nie in ihrem Leben gearbeitet, wir haben sie erzogen, im seidenen
Kleid auf dem Sofa zu sitzen". "Sie haben sie in den Kibuz gebracht und im Kibuz arbeitet jeder". "Arbeitet Ihr soviel es Euch Spa macht - meine Tochter nicht!". Was blieb dem armen Brutigam brig als seine Sachen zu packen, seinen
geliebten Kibuz zu verlassen und sich der Familie seiner jungen Frau in Tiberias anzuschlieen. Auf Gedeih und Verderb.
Nicht nur einzele, Denker, Dichter oder Knstler pflegten sich zeitweilig im Meschek einzulogieren. Es war schon Tradition, da hhere Schulklassen unter Aufsicht ihrer Lehrer
fr einige Wochen zur Arbeit im Rahmen des 'nationalen Dienstes' kamen. Der Kibuz seinerseits stellt ihnen noch einen Instruktor. Die Schulklassen kamen aus verschiedenen Schichten und politischen Strmungen und nicht alle aus dem
linken Lager. Die oberste Klasse des 'Herzlia-Gymnasiums' in Tel-Aviv kam traditions gem nach Aschdot Ja'akov, zu verschieden Jahreszeiten. Der Meschek nahm diese Gruppen auf, wenn auch der Elternrat der Schule zur Bedingung
gestellt hatte, bei Gespchen mit den Kindern keinesfalls politische Themen zu berhren, zumindest nicht solche, ber die in der zionistischen Bewegung Meinungsverschiedenheiten existierten - und das war beinahe alles. Tabu war z.B.
das Thema 'Ansiedlung und kibuzische Bewegung'. Vergessen wir nicht, Tel-Aviv war zum groen Teil revisionistisch, oder 'allgemeinzionistisch' auf jeden Fall rechts. Was nun die Oberklasse des Gymnasiums, mit der Ran'na Ben Gurion
im Herbst 1942 in Aschdot war, anlangte, so erzhlte man sich, da wenige Tage vorher Paula Ben Gurion die damalige Sekretren des Meschek, Czarna, angerufen haben, und besondere Bedingungen fr ihre Tochter, dem Status ihres Vater
gem, verlangt haben soll. Czarna ihrerseits hatt Paula bedeutet, ihre Tochter zu Haus zu lassen, wenn sie auf besondere Wnsche bestehe. Es war nicht bekannt, ob der 'Alte' von diesem Telefongesprch wusste, oder ob die ganze
Geschichte nicht erfunden war.
Im Jahre 1944 bat eine Gruppe anderen Charakters fr einige Wochen in Aschdot aufgenommen zu werden. Beeits nach dem Abitur, schienen aussergewhnkich intelligent und elitistisch in
ihrem Auftreten. Der Instruktor von Seiten des Meschek war scharf und gewandt und versuchten in Gesprchen herauszubekommen, was eigentlich hinter diesem kaum verschleierten Versuch zur 'Selbst-Organisation' steht. Sie lehten jeder
ideologische Auseinandersetzung ab. Unser Eindruck war, ihre Orientierung sei rechts-extrem. Einer von ihnen deutet mir in einem zuflligen Gesprch an: "Wer von den Juden nach Kriegsende das Land verlassen will, wir werden ihn mit
dem Gewehr in der Hand daran hindern". Monat spter wussten wir mehr: es war dies der Kern der 'Stern-Organisation', der sich Aschdot Ja'akov als erstes 'Ausbildungslager' ausgesucht hatte.
Das kulturelle Leben in Aschdot Ja'akov war weit verzweigt. An erster Stelle standen das Lernen der hebrischen Sprache und die Bibelkunde, dann Chor und Drama, zur Vorbereitung
von Festen auch unter Einschlu der oberen Schulklassen. Die drei Landestheater, die "Habima", das "Ohel" und das Kabaret "Matateh" gaben ihr Gastspiel whrend der Sommermonate auf dem groen Rasen auf provisorischer Bhne. Die
"Habima" und an der Spitze ihr (unverwstlicher) Star, die melodramatische Chana Rowina (seit 1925) mit 'Trnenpressen' wie "Russische Menschen" (im Zeichen der Wellen
allumschlingender Sympathie fr Russland, besonders nach Stalingrad, die ber uns zusammenschlugen). Aber auch "Diese, unsere Erde" ber die Grnder Chaderas, ein Obulus zur zweiten Alija, mit heroischer Selbstaufopferung und nicht zu
unterdrckender Hoffnung. Das "Ohel" brachte Molire und Scholem Alejchem und "Mister Kibuz" (25 Jahe vor "I like Mike") und Halevi, der vor Beginn der Auffhrung vor den Vorhang trat und Publikum um Verzeihung bat, sollte sich
jemand getroffen fhlen. Wer nahm ihn schon ersnst?
1943 erwarb der Meschek ein Filmprojektor in der Standartweite der Kinofilme von 32 mm. Filme gabs en masse im Filmverleih der Histadrut in Tel-Aviv. Eine besondere 'Kommission'
hatte die Filme vom Katalog auszuwhlen, praktisch aber besorgten das die Lastwagenchauffeure, die einzigen, die stndig in Tel-Aviv waren. Das nderte aber nicht viel, Hollywood und die Russen, beide drehten fr den Krieg. "Mis
Miniver" und "The Moon is down" im Westen, "Sie verteidigt die Heimat" und "So schuf man den Stahl" im Osten - beide suchte den Glauben an den erzgewissen Endsieg ins Herz der Zuschauer zu pflanzen, wenngleich es damals noch
garnicht darnach aussah. Die bersetzung lief damals auf einem besonderen Zelloloidstreifen, handgeschrieben und handbetrieben, der auf die linke Seite der Leinwand projiziert wurde. Man mute schon die Sprache des Films gut
verstehen, um synchron zu bleiben. Wehe dem, der den Faden verlor.
Der Ssederabend stand an erster Stelle der in Aschdot Ja'akov gefeierten Feste. Das Schwierigste war, alle Einwohner Aschdots, Mann und Kind und Greis, 'an einem Tisch' an der
Feier teilnehmen zu lassen. Eine Wand der groen Essaal-Barakke wurde entfernt und eine riesige provisorische 'Htte' dicht daran errichtet, um Platz fr mehr als 1000 menschen zu schaffen. Bretter dienten als Sitzpltze und
Tischplatten, die Tische bezogen mit weiem Papier. Die weite des Sitzplatz pro Gedeck war scheinbar mit dem Rechenschieber errechnet; sie betrug nicht mehr als 30 Zentimeter. An ein Servieren des Essens war natrlich nicht zu
denken; die Pappteller mit dem Viertelhuhn und Salat standen schon seit 10 Uhr Vormittags auf ihrem Platz. Maximalisten bestanden zwar auf heie Suppe mit Mazzeklen am Abend gereicht, die Durchfhrbarkeit des Projekts war aber nicht
garantiert. Und das alles unter der Voraussetzung, da das Aprilwetter nicht einen Strich durch die Rechnung machte.
Das Zermoniell des Ssederabends hatte im Laufe der Jahre eine fr jeden Platz charakteristische Form angenommen. Chor, Gesang und Tanz, vielleicht ein kleines Orchester, eine kurze
Rede, und dazwischen eben die 'Mahlzeit', die eigentlich der Hhepunkt sein sollte, unter gegebenen Umstnden aber alles andere als angenehm. Das Sitzen auf ungehobelten Brettern in 30 cm Spielraum fr drei Stunden trug nicht
gerade zur inneren Erhebung bei. Das zu Leder getrockenete viertel Huhn und der welke Salat, in Lrm und Hitze und Kindergeheul - nur der Anstand verhinderte baldige Flucht. salan Rubaschoff (Schasar), mit Frau Rachel Jana'it und
mongolitischer Tochter waren seit Jahren Ehrengste des Meschek. Schasar erffnete meist den Sseder mit Vorlesungen aus der rtlich 'Hagada'. Verstehen konnte man im Allgemeinen kein Wort, auch der Violonist Sascha Parnes konnte sich
mit seiner "Habaneska" kein Gehr verschaffen. Hier und dort versuchte sich jemand an dem billigen Swein zu betrinken, nicht immer gelang ihm das. Ich stand jedesmal auf mit dem heiligen Schwur "Nie wieder". Aber konnte man sich
erlauben, nicht zu gehen?
Es gab da ein gebiet der Lebanshaltung in Aschdot Ja'akov, das man ignorierte - Essensformen. Der groe Essaal diente an die 600 Erwachsenen in zwei Schichten. Die Kche selbst war
garnicht mehr so rckstndig, sie war dampfbetrieben, ausgerstet mit Nirosta-Gerten, Geschirrwaschmaschine und Brotschneider. Das Problem war der menschliche Faktor, der das alles zu zufriedenstellender Anwendung bringen sollte.
Hier gab es keine Karpatho-Ungarinen aus Kibuz "Machar", die letzte aus den 26 Mil Budget herausholten. Das Kchenpersonal waren Polinen, die das Budget wenig interessierte, wie die ganze Kche selbst. Sie verfluchten die
Ungerechtigkeit des Schicksals da sie an diesen Arbeitsplatz verschlagen und trumten von anderer Arbeit und mehr 'gehobener' Stellung. Warum die Chawerim sich mit diesem untragbaren Zustnden und dem kaum geniesbaren Essen
jahrelang widerspruchslos abfanden, habe ich bis heute nicht begriffen (nach der Staatsgrndung begannen Kibuzim berufsmige Kche von ausserhalb zu engagieren). Der Grund lag vielleicht in einer verkrampften Ideologie, die da den
kibuzischen Rahmen zwang, die Annehmlichkeiten des Lebens zu verachten und einzig und allein den Werten des Geistes zu folgen. Wir wissen, das diese Haltung jahrelang im Ostblock dominierte, wo die fhrende Schicht sich rechtzeitig
Privilegien sicherte, die sie von der der breiten Masse auferlegten 'Entsagung' befreiten. Im Kibuz war eines der 'Privilegien' "Dit". Mit dem medezinischen Begriff einer fettarmen, salzlosen oder diabetischen Herrichtung der
Speisen hatte diese 'Dit' nichts zu tun. Hier war sie 'Privileg' fr die laut Status dazu berechtigten, und ihre Bestandteile waren vor allem Sahne, Zucker und Fleisch. Es gab vier Stufen Dit, entsprechen den vier hierarchischen
Stufen der Vorberechtigten. Der Status war absolut, Widerspruch gleich Heresie. Alle brigen Sterblichen verschlangen, was man ihnen vorsetzte, nur um mglichst schnell all das hinter sich zu haben.
Das war die Absicht, nur der chronische Mangel an Besteck, an Geschirr berhaupt, machte aus einem gemchlichen 'Sitzen bei Tisch' eine Jagd nach Messern und Gabeln. Bei mir kam die
Sache eines Abends zur Explosion, als nach lnderem Warten der Wagen mit den Portionen bei meinem Tisch erschien. Aber nun entdeckte ich, es fehlte Besteck und der Tisch war zu
alledem noch schmuzig von der vorigen Schicht. Ich stand also auf Besteck und Tischlappen zu suchen. Als sich zurckkehrte mute ich feststellen, da der Tisch zwar abgewischt, aber auch alle Teller bereits abgerumt waren; der Mann
mit Eimer und Lappen wollte auch seine Schicht beenden. Und da krachte es bei mir. Mit einer etwas berdramatischen Geste warf in Messer und Gabel auf den Tisch und verlie ostentativ den Essaal. Das kleine Drama aber verursachte
kaum mehr als ein flchtiges Stirnrunzeln: "...wenn das schon ein Grund zur Aufregung ist, was dann bei ernsthafteren Gelegenheiten...?" Worum es hier ging schien niemand zu verstehen.
Das wirkliche Drama spielte sich einige Tische weiter ab: eine der lteren Frauen sah ich eines Abends aus der Kche kommen, in der Hand ein Kessel kochenden Wassers. Sie ging
schnurstraks auf einen Tisch zu, an dem ein altes Ehepaar beim Abendbrot sa. Ehe sie jedoch an den Tisch herankam, hatten sie schon ein halbes Dutzend Leute umgeben, die ihr den Kessel aus der Hand nahmen und sie sanft aus dem
Essaal hinausschoben. Was war passiert? Die Frau des Ehepaas war die Nachfolgerin der 'Verflossenen' mit dem Wasserkessel, die sich fr den 'Diebstahl' ein fr allemal rchen wollte.
Ende November 1944 meldete sich Ilan. Wir glaubten der Natur ein Schnippchen schlagen und mit dem Autobus, in aller Ruhe, nach Tiberias gelangen zu knnen - und nicht irgend
einen Lastwagen zu alarmieren. Wir waren doch gewhnt, da Geburten bei uns sich Zeit lassen. Wir gingen also langsam zur Hauptverkehrsstrae hinunter, zur Autobushaltestelle. Ein Laster berholte uns, der gut bekannte Lenker fragte,
ob wir nicht dich etwas 'Tramp' bevorzugten, er sei auf dem Wege nach Tiberias. Nanni stieg ein, ich fhr garanicht erst mit, wozo dort leere Zeit versitzen. Nach einer Stunde suchte mich der Chauffeur; er hatte es gerade noch bis
zur Krankenhaustr geschafft. Ein Junge, drei Kilo zweihundert. Es war wieder Freitag Nachmittag und erst am Sonnabend Frh fand ich 'Tramp' ins Krankenhaus. Dort empfing man mich mit Pauken und Trompeten. Ilan war 'the baby of the
year' im Schweizer Hospital. Hellblond, eine Haarfarbe die im maternity ward in Tiberias noch nicht dagewesen. Die Schwestern standen Kopf und tanzten mit ihm durchs ganze Haus. Eine zweite berraschung blhte in der Form
eines dja vu, und zwar noch einmal in der Gestalt der Frau Paula Ben Gurion, die sich den November scheinbar als Kursaison ausgesucht hatte und wieder einen Wortschwall Gre an Aschdoter bergab.
Ilan kam in eine Babygruppe unter dem Szepter einer Alt-Pflegerin mit Namen Mary, die eiferschtig ihre Pregorative als Authoritt htete. Nach einer Woch teilte sie uns mit, da Ilan
beschnitten worden wre, von dem jetzt amtierenden Arzt und Mitglied von Aschdot, Dr. Sekeles, der die Beschneidungen im Rahmen seiner Arztbesuche im Kinderhaus durchfhrte. 'Die schmerzlose Methode' (fr die Mutter, nannte er das,
wie er es berhaupt vorzog, die Mtter aus der Baby-Pflege auszuschlieen. Hinterher suchte er sie dann zu trsten: "Ich habe Deinem Sohn einen 'Brit' gemacht, alle seine Freundinen werden sich mal die Finger lecken..." Was nun die
'automatische ' Beschneidung anbetraf, so waren die Meinungen darber geteilt; gar mancher htte gern bei dieser Gelegenheit ein Glsschen gehoben und keine von den Mttern htte sich bermig
dabei aufgeregt.
Nur ein einzges Mal suchte ein Vater Protest gegen die Beschneidung als solche zu erheben. Unter den lteren Ehepaaren, die in den letzten zwei Jahren im Meschek aufgenommen worden
waren, war auch eins mit zwei Tchtern, Die Mutter Kindergrtnerin, der Man Mittelschullehrer, Riwka und Schmuel, Tel-Aviver, die aus wer weis welchen Grnden ihren Weg in den Kibuz gefunden hatten Schmuel war ein gebildeter
Mann, der viele Philosophien und Theorien hegte, und der im Laufe der Zeit zu dem Schlu gekommen war, die Beschneidung fge dem jdischen Volk groen Schaden zu. Die Entfernung der Vorhaut gerade dort, wo sich die feinsten Nerven
treffen, whre die Ursacher der jdischen Minderwertigkeitskomplexe. Der Brauch der Beschneidung sei mit der Wurzel auszurotten und er, Schmuel, sollte ihm einmal ein Sohn geboren werden, wrde nie und nimmer einer Beschneidung
zustimmen.Riwka sagte garnichts dazu, sie glaubte kaum, da in absehbarer Zukunft deartiges aktuell werden wrde, aber Schmuel breitete seine Lehre vor jedem der nur hren wollte aus. Das alles wre ein Kurios fr die Klatschbasen
geblieben, htte das Schicksal dem braven Schmuel nicht eine Falle gestellt.
Riwka ward schwanger. Im Meschek fing man an Wetten abzuschlieen, alles stand Kopf, Junge oder Mdel? Nur das bald darauf alles sehr kleinlaut endete. Ein Junge kam zu Welt und im
Verlauf der nchsten Tage wurde auch an ihm die Beschneidung vollzogen. Was war geschehen? Aus dem Ehepaar selbst war nichts herauszubekommen. Aber allmhlich sickerte es durch: die Erziehungskommission hatte das Ehepaar vorgeladen
und unmiverstndlich bekannt gegeben: Euere Weltanschauung in allen Ehren, aber wenn Euer Sohn im Meschek aufwachsen sol, unter all den anderen Kindern, ist es unumgnglich ihn zu beschneiden. Andererseit ist kein Platz fr ihn in
den Kinderhusern und fr Euch kein Bleiben im Meschek. Was blieb schon dem Ehepaar brig, Weltanschauung hatte wirtschaftlichen Erwgungen zu weichen und ein Leben wissenschaftlicher Forschung und Ideenbildung ward zu Nichts. Hic
transit gloria mundi!
Nicht jeder im Kibuz Aschdot Ja'akov sah sah im ersten Kind eines Paares oder in den nachfolgenden die natrliche Entwicklung und Zukunft des Ortes. Eine groe Anzahl Lediger sahen
in den Kindern andeer nicht mehr als eine ungerechte Last auf ihren Schultern. Die ledigen sind der eigentliche Antrieb der wirtschaftlich Rder, ohne sie steht alles still. Ansichten dieser Art waren berall zu hren, teils im
Spott, teils in unverhllter Feindseeligkeit. Auch, wenn man Dir's nicht ins Gesicht sagte, Du, mit Deinem Egoismus hast Dich an den anderen versndigt, die nur Dein Gutes wollten.
'Groherzigkeit' dieser Art begegnete man auf Schritt und Tritt. Aschdot hielt eine Wohnung in Safed als Sommerfrische fr Erholungsbedrftige, im Turnus je acht Tage, von Juni bis
Oktober. Aus irgend einem Grunde sandte man auch mich einmal fr eine Woche dorthin. Bei meiner Rckkehr fragte mich jemand: "Hast Du Dir schon ausgerechnet, wieviel jedes dort zugenommene Kilo uns gekostet hat?". Ein anderes Mal,
weit weniger erfreulich, beherbergten junge Bekannte ein altes vllig mittelloses Ehepaar aus Haifa ber das Wochenende. Am Schabbat Morgen fand die alte Frau, da ihr Ehemann ber Nacht in eine bessere Welt gegangen war. Es war im
glhenden Sommer, einige Leute gruben im Friedhof ein Grab und gegen Abend begrub man den Mann. Bermerkung von der Seite: "Das ist alles von vornherein geplant um die Beerdigungskosten zu sparen".
1944 erklrte sich Stalin bereit, scheinbar nach Verhandlungen mit den Englndern, aus der Polnischen Diaspora in Sibirien, eine polnische Armee aufzustellen unter dem Befehl des
polnischen Generals Anders. Die Einheiten waren an Seiten der Briten in Europa einzusetzen unter der gide der polnischen Exilsregierung in London. Historiker wissen sicher die Grnde, die Stalin zu einem deartigen Schritt bewogen,
nach der Niedermetzelung des polnischen Adels in Katyn (von der damals noch nichts bekannt war). Die Russen hatten sich nicht geirrt: die Kmpfe bei Monte Cassino verschlangen den grten Teil der polnischen Regimenter. Vorlufig
bereitete sich Anders vor, als ersten Schritt in den Westenmit seiner Armee nach Iran zu bersiedeln und von dort nach Erez Jisrael, bevor er sich Montgommery anschlo.
Die Nachricht, da die Armee Anders auf dem Weg nach Erez Jisrael war, verbreitete sich mit Windeseile im groen Sibirien. Viele aus Polen geflchtete Juden im dienstfhigen Alter
schlossen sich den polnischen Einheiten an. Die Armee weilte einige Wochen in Teheran und dort wurde sie bald darauf nach Palestine berfhrt, in einige der Militrlger im Norden des Landes. Die Juden in Anders' Armee, zu mindest
diejenigen, die das von vorn herein beabsichtigt hatten, desertierten bald darauf und fanden Unterschlupf, scheinbar auch bereits organisiert, in vielen Kibuzim. So tauchten eines schnen Tages im Frhling an die 15 bis 20 neue
Gesichter bei uns auf, wie vom Himmel gefallen. Stmmige Burschen, die haarstrubende Dinge zu berichten hatten, nach allem was sie durchgemacht. ber das, was sich in den fernen Gegenden der Soviet Union abspielte, ber den Hunger
und die Not und die Armut, und den Verlust jeden Glaubens an den Nchsten und an eine Zukunft. Alles andere als angenehm fr die fanatischen Bewunderer der Soviets, die mit Kriegsende die Fackel der Vlkerbefreiung tragen sollten.
Nicht alle waren polnischer Herkunft, es gab unter ihnen auch Wiener und Rumnen aus Czernowitz, die flieend Deutsch sprachen und den passenden Akzent ihren Geschichten zu verleihen verstanden
Die schreckliche Tragdie des Schoa fand fr uns ihren ersten aktuellen Niederschlag mit der Affre der 'Teheran-Kinder' Im Gefolge der Anders Armee auf dem Wege nach Teheran war
auch eine Gruppe von mehreren hundert Waisenkindern polnisch-jdischer Abkunft, die sich in Sibirien, ich weis nicht durch wen, organisiert hatte. Ich nehme an, da internationale jdischen Institutionen die berfhrung der
Kinder nach Teheran durchsetzen konnte. Von dort begannen Verhandlungen mit den Englndern, den Kindern in Erz Jisrael Einla zu gewhren, 'aus rein humanitren Grnden'. Es stellte sich heraus, da die Verhandlungen komplizierter
waren, als man vorerst angenommen. Irak machte Schwierigkeiten, sie schlugen sogar vor, die Kinder selbst aufzunehmen, gratis, nur da sie nicht nach Palstina gelangten. Auch die Araber im Land protestierten. Wie alle die
politischen Hrden genommen wurden, weis ich nicht mehr. Kinder kamen ins Land und die Jewish Agency hatte sie zu verteilen, zum grten Teil in die Kibuzim und Moschawim. Da erhob der orthodoxe Sektor pltzlich ein Wehgeschrei:
Kinder traditioneller Herkunft wrde man den atheistischen Kibuzim ausliefern. Die polnisch-jdischen Kinder stammen alle aus frommen Husern. Abgedroschene Argumentation auch heute, der Hintergrund war natrlich Geld. Nach
wochenlangem Tauziehen fand man scheinbar einen Kompromis, der den Wolf befriedigte und das Schaf mehr oder weniger im Ganzen lie. Eines Tages kamen an die 20-25 verngstigte und verwirrte Kinder verschiedenen Alters nach Aschdot.
Besondere Pflegerinnen erwarteten die Kinder und Familien nahmen sie in ihren Kreis auf. Man tat alles was man man konnte, um ihnen ein warmes Heim zu schaffen, wie eine Chawera sich ausdrckte: "Nicht mehr die 'Teheran-Kinder',
sondern Feigele und Ruchele und Tonka!". Ob es den Chawerim von Aschdot Ja'akov und auch anderswo gelang, den Kindern ber das Trauma der Vergangenheit hinweg zu helfen? Wir alle hofften so.
Die Sache mit den Ambulanzen beschftigte die ffentlichkeit weniger und war eher ein Zankknocher der linkspolitischen Parteien. Die Frage war: Wie knnen die Juden Erez Jisraels
ihre Anerkennung den Vlkern der Soviet Union und der russischen Regierung in ihrem Kampf gegen die Nazi-Barbaren aussprechen? Wie immer, so waren auch hier die Meinungen geteilt, hatten doch die Soviets keineswegs zu verstehen
gegeben, sie seien bereit eine Anerkennung von Seiten der Juden anzunehmen. Man sprach ber eine Spende von vier Ambulanzen an die rote Armee. Die Ambulanzen seien durch Irak und Iran bis an die russische Grenze zu fahren - ganz
nach dem Herzen der Fhrer des sozielistischen Lagers, d.i. der 'Schomer Haza'ir und die 'Achdut Awoda' des Kibuz Hame'uchad.
Nicht jederman war bereit sozialistische Verbrderungskundgebungen gegenber einem Regime anzunehmen, das ganz ffentlich seiner Feindschaft gegen den Zionismus Ausdruck verlieh und
den Juden Erez Jisrael keinerlei Status zugestehen mochte. Wozu also das ganze Theater? Es war einigen von der alten Garde, die noch an der Oktoberrevolution teilgenommen hatten, nicht so leicht sich mit der prononziert
anti-jdischen Haltung der Soviets abzufinden. "Das ist nur zeitweilig, sie haben gute Grnde der der Kriegskoalition mit dem Westen zu mistrauen, wir sind aber sicher, da am Ende sie uns doch anerkennen werden". Wie kann man den
mit Blindheit geschlagenen helfen, die sich auch nach den 'Prager Prozessen' nicht berzeugen lieen.
Ich weis nicht wer fr die Ambulanzen beahlt hat. Zisling, in seiner Propaganda-Campagne fr das Projekt, brachte auch eine nach Aschdot Ja'akov zum Angucken. Mehr als armseelig:
beinahe alle Attribute, die einen Lieferwagen zur Ambulanz machen, fehlten. Ein oder zwei Tragbaren, das war alles was drinnen war. Aber drauen war eine Messingtafel angebracht und darauf - in Jiddisch - 'Den Vlkern der Soviet
Union von den Juden in Erez Jisrael". Die vier Ambulanzen, in Begleitung Zislings, gelangten schlielich an die sovietische Grenze. Dort nahm sie ein Offizier der roten Armee entgegen, ohne jegliche Zeremonie. Die Juden, die das
Geschenk brachten, lie man nicht nach Russland hinein. Den sozialistischen Politikern ins Gesicht gespuckt, aber die behaupteten, es sei nur Regen.
Eine andere Episode, die einen Sturm im kibuzischen Wasserglass erzeugte, ereignete sich spter, bereits nach Kriegsende, zu Beginn der ersten Reibungen mit der Mandatsregierung.
Die Diskussion begann nach der ersten Aktion der Palmach, die berhmte Sprengung der Eisenbahnschienen. Die jdische Fhrung wollte damit den Englndern ihren Protest gegen die Fortsetzung der Politik des
'Weissbuchs' zu verstehen geben, angesichts der 100,000 Schoa-berlebenden, die in den europischen Flchtlingslgern darbten. Es war dies das erste Mal, da man ber den Rahmen von Protestkundgebungen hinaus ging. Es ist
anzunehmen, da die neue, aktivistische Linie der Jewish Agency viel durch Kreise der 'Achdut Awoda' und dem Kibuz Hame'uchad beeinflut war. Aber, wie es sich herausstellte, waren nicht alle mit dieser Linie einverstanden. Die
Veteranen der 'Mapai' sahen darin eine Bedrohung der traditionellen Politik der Zurckhaltung und der jdisch-britischen Zusammenarbeit. Weizmann lehnte die neue Linie strikt ab, der 'Schomer Haza'ir' befwortete Zusammenste nur in
Fllen von Alija und Ansiedlung (wenn seine Shne an der Palmach-Aktion teilgenommen hatten). Wie gewhnlich waren die Auseinandersetzungen strmisch. 'Achdut Awoda' schickte zwei Vertreter nach Aschdot Ja'akov, Zisling aus Ejn-Charod
und Almoslino aus Tel-Aviv (der von Schoschana, damals noch jung an Jahren) um die 'aktivistischen' Beweggrnde zu erklren. Die von der Mapai prophezeiten Pech und Schwefel. Mit der Zeit versandete die Diskussion,aber es blieb das
Gefhl, wenn es auch niemand aussprach, da eine neue Epoche politischer Beziehungen eingetreten war. Auch der 'Ezel' regte sich von neuem und nicht wenige fragten sich, wohin das alles fhren mge.
Ich selbst stand den politischen Betrachtungen recht fern, ich wute aber, da die irgendwie zum Thema 'Sicherheit' gehrte, um das herum auf Schritt und Tritt verstrkte Ttigkeit
sich bermerkbar machte. Die Schlosserei und die Gieerei produzierten am laufenden Band Gegenstnde, bei denen schwer feststellbar war, wozu sie eigentlich dienen sollten. An zwei Stellen wurden Gruben ausgeschachtet, mit Betonwnden
verkleidet, die mit Teer bestrichen wurden. Eines Tages waren diese Ausgrabungen verschwunden und an ihrer Stelle stand ein Huschen oder ein Schuppen mit landwirtschaftlichen Gerten. Eines Tages erschien auch Schmuel
Ebel aus Gvaram, 'Fachman' in Textil, um die Mlitrmntel der Palmach in irgend eine 'neutrale' Farbe umzufrben - Camouflage.
Mit Beginn des Krieges war die Einwanderung ins Land gnzlich versiegt, ausgenommen einige wenige, die es irgend wie schafften, durch zu kommen. Wie gro war die Aufregung, als
bekannt wurde, eine ganze Gruppe Jugendlicher aus der Trkei sei auf dem Wege nach Aschdot. Sie kamen per Bahn, mit viel Gepck, an die 30 - 40 Jungen und Mdels, einige unter ihnen schon 20 und darber. Die unmittelbare Ursache
dieses Vorlufers der trkischen Alija waren Gerchte ber Aktivitten der Gestapo, die ihre Bros in Ankara erffnet hatte - derart waren die trkischen Beziehungen zu Deutschland. Kein Mensch konnte sagen, ob etwas an diesen Gerchten
war, aber das Schicksal der Juden des nicht fernen Griechenlands war kein Geheimnis. Verstndlich also, da einige der begterten Familien sich zusammen taten und kurzer Hand ihre Kinder nach Erez Jisrael schickten, mit Hilfe der
Jewish Agency.
Die jungen Leute machten alle einen uerst gepflegten Eindruck, die Mdels ausgeputzt mit Schleifchen in den Haaren. Der grte Teil sprach auch Franzsisch, viele hatten bereits das
Abitur. Es war sichtbar, da sie in einer anderen kulturellen Atmosphre aufgewachsen waren. An Stelle des Vaters sah sich der Bruder verantwortlich fr seine Schwester, die ihm zu absolutem Gehorsam verpflichtet sein sollte. Die
lteren Jungens waren schon gewohnt allein oder mit Vater ins Caf zugehen oder zu anderen, ausgesprochen 'mnnlichen' Unterhaltungen - die Mdels verlieen das Haus nie ohne Duena. Im brigen benahmen sie sich wie andere Jungens und
Mdels auch, nur war die Nuance der Flche, die sie sich an den Kopf warfen lewantinischer. Am Hufigsten hrte man den Ausdruck 'Psewng', auf Deutsch 'Zuhlter'. Ivrit mit allem 'Zubehr' lernten sie im Handumdrehen.
Die 'Familienhierarchie' hielt nicht lange Stand. Die Mdels begriffen bald, da in dieser neuen Welt fr die Authoritt des Bruders kein Platz mehr war. Sie fhlten sich vogelfrei,
ohne Beschrnkungen und ohne Aufsicht. Freiheitstrunken.
Unter den zahlreichen Klatschgeschichten, denen im Meschek bald hier, bald da Flgel wuchsen, blieb eine lange Zeit haften: die klassische Ballade einer Verfhrung zu einer fiktiven
Ehe und deren Moral fr das naive Opfer, ein lterer aus der Vorratskammer der Jungesellen Aschdots. Und so berichtete die Fama: Unter den lteren trkischen Mdels war eine, bildschn und verfhrerisch. Der Verwalter des Zucker- und
Rohstofflagers der Konservenfabrik, das unter Zollverschlu lag, war ein junger Angestellter des Zolls aus Haifa (als Militrliferant hatte die Fabrik Zollvergnstigungen fr Rohstoffe). Die Eintragungen des Verbrauchs an Scken von
Zucker und von Pulp waren keine kreuzbrechende Arbeit fr den jungen Beamten (praktisch tat ein Chawer Aschdot alle Arbeit fr ihn) und so blieb gengend Zeit sich anderweitig nach Unterhaltung umzusehen. Eine solche bot sich, und
nicht nur ihm, im Form eines Schwarms trkischer Mdels, freiheitstrunken und auf Abenteuer erpicht.
Man interessierte sich nicht viel fr den 'Roman' des Zollbeamten mit der bildhbschen Feh aus dem Lande von 'Tausend und einer Nacht' - auf diesem Gebiet war 'business as usual'
und die 'affairs' wechslten tglich. Nur das eines Tages bekannt wurde, das Hillel Leibowitz, der Leiter der Bananen, gesellschaftliche Stze der Jungesellen und jngster Sohn der weit verzweigten Familie Leibowitz aus Riga, mit
Dalia Ssasson aus Istambul in den heiligen Stand der Ehe zu treten gedchte - mit ihr, der bildschnen Trkin. Hillel hatte seine dreiig lngst hinter sich, das Mdel war kaum zwanzig. Nach Auen hin schien alles froh und vergngt, dank
Gott, da noch einer Lediger ein treues Weib errungen. Von Seiten der Familie selbst, Vater und Geschwister, hrte man nichts. Man flsterte sich nur zu, die Familie sei alles andere als erbaut von der Wahl einer 'Frankine'
zweifelhaften Charakters, wenn auch guter Herkunft, aber keineswegs passend in den Kreis einer 'Grnderfamilie' aufgenommen zu werden. Hillel, wenn befragt, murmelte etwas wie: es sei noch Umerziehung am Platz, eine Art Konversion
etwa, 'Gijur Lehalacha', damit seine Zuknftige sich dem hehren Kreis seines Stammes anpassen knne. Was die Fragen des Herzens anbelangt, so wies er auf die orientalische Erziehung der jungen Dame hin, die intime Beziehungen vor
der Hochzeit ausschliet.
Die Hochzeit auf dem grten Rasen erreichte die Beteiligung beinahe eines Ssederabends. Der Reden und Toasts kein Ende, bei manchen allerdings mehr eine 'purimische' Nuance als die
zu erwartende erotische, so ungefhr: "Was hast Du Dir da eingebrockt...". Auch Vater Leibowitz zog man mitten in den Kreis und zwang ihn geradezu, auch ein paar Worte zu sagen. Und der weise Alte sagte nur einen Satz: "Ich brauch
Euch wohl nicht zu sagen, wie ich mich heute fhle...".
Die Anticlimax der Phantasmorgia kam am folgen Morgen. Man erzhlte sich, die Braut wre ihrem frisch angetrauten Gatten berhaupt nicht ins Zimmer gefolgt.
Sie verlie Aschdot Ja'akov noch in derselben Nacht, auf dem Wege zurck in die Trkei. Hillel war im Schock und nicht fhig irgend welche Fragen zu beantworten. Was war passiert? Dalias Freunde aus der trkischen Gruppe konnten die
Antwort liefern: Es war ihnen nicht unbekannt, da die junge Frau in Istambul einen Verehrer hatte, ein reicher Mann, der letztlich ganz offiziel bei ihren Eltern ihre Hand angehalten hatte. Dalia neigte den Antrag anzunehmen, wie
aber er- klren da ihre 'Unschuld' in den Armen des Zollbeamten geblieben? Nur eine 'unglckliche Ehe' und die 'Flucht zurck in den Scho der Familie' sind gengend Beweis fr den Verlust der Jungferschaft. Ob
ihr das gelungen ist, ob die ganze Geschichte berhaupt stimmte, wer weis das? Heute ein- zwei Stunden Flug - damals war Istambul eine Welt von uns entfernt; und Krieg dazu. Die Spavgel von Aschdot aber mochten alledem nur zu gern
Glauben schenken, und in Hillel Leibowitz das naive Opfer einer gerissenen Bertgerin sehen.
Hillel blieb nicht ledig. Im Verlauf einiger Jahre heiratete er die schon nicht mehr ganz jugendliche (und alles andere als bildschne) Tochter einer reichen Familie aus Petach
Tikwa, um deren Hals das Schild 'Erbin' hing. Ich traf Hillel, schon nach '48, als er mir aus den Bananenpflanzungen seines Schwiegervaters in Rosch Ha'ajin vom Frost angefaulte Setzlinge verkaufte. Die kibuzische Moral, zu der er
seine trkische Fata Morgana erziehen wollte, hatte er in Aschdot gelassen, zusammen mit seiner Einfalt. Die trkische Gruppe selbst aber blieb der Bewegung treu; sie grndete den Kibuz 'Hagoschrim' in Ober-Galila.
Kein Feuerwerk entzndeten die Juden in Erez Jisrael zum Ende des zweiten Weltkrieges. Keine Freudenkundgebungen. Die Ausmae des Schoa waren mit gesundem Menschenverstand berhaupt
nicht fabar. Millionen Zwangsarbeiter suchten den Weg zurck in ihre Haumat, hunderttausend berlebende Juden in Flchtlingslgern in Deutschland und Italien hatten keine Heimat mehr - die Ortsbevlkerung, die sich ihres Eigentums
bemchtigt, sorgte schon dafr. Die Schoa-berlebenden wurden zum Herd des Konflikts mit England, das um keinen Preis bereit war, ihnen die Tore Erez Jisraels zu ffnen. , ihrerseits sollte jeder in seine 'Heimat' zurckkehren;
derartige Versuche waren schon mit Pogromen beantwortet worden. Die Jewish Agency leitete Rettungsaktionen und illegale Alija in Europa ein.
Ich hatte Aschdot Ja'akov bis zur Neige ausgekostet. Was hatte ich hier noch zu erwarten? Erbrmliche Wohnung, schlechtes Essen in einem entsetzlichen Essaal. Das hohe Niveau des
Kibuz, so sagte man, drckte sich vor allem auf kulturellem Gebiet aus. Ich weis es nicht. Der immer tiefer klaffende Riss und die sich stndig verschrfende Auseinandersetzung lieen kaum noch etwas von dem, was man Kultur nennt,
brig. Mit zwei Kindern aber und ohne Beruf verlt man nicht so ohne weiteres den Kibuz. Was dann? Vielleicht zurck nach 'Gvaram'? Kibuz "Machar" hatte sich 1942 auf den Bden von Ssumssum, sdlich von Aschkelon angesiedelt. Ich nahm
mir ein, zwei Tage und fuhr dorthin. Nannis Bruder war nicht wenig erstaunt ber mein Anliegen, aus dem groen, 'reichen' Aschdot in das arme Gvaram zu bersiedeln. Er glaubte uns im Paradies. Gvaram
hatte nichts gegen unsere Rckkehr und das Zentralkommitee der Bewegung keinen Grund sich einzumischen.
Am 1. Dezember 1945 lieen wir Aschdot Ja'akov hinter uns, nach drei Jahren und bereits regulre Mitglieder. Ophra war vier Jahre alt, Ilan ein Jahr, aber gesundtheitlich in keinem
guten Zustand. Nanni hoffte whrend der blichen Quarantne am neuen Platz seine chronische Dysentrie endlich ausheilen zu knnen. Wer unter der Trennung vm alten Platz litt war Ophra. Sie war bereits gro genug, um die Unterschiede
der Lebensbedingungen zu empfinden. Ich selbst blickte nicht zurck. Ich habe so etwas nie getan bei unseren zahlreichen Wanderungen. Nicht, da ich frchtete zur Salzsule zu erstarren - unser hin und her war nie Ausdruck
irgendwelcher Erfolge, eher ein Suchen nach etwas, was ich immer zu finden hoffte. Wozu also rckwrts schauen?
Ich hoffte, Gvaram mehr nach meinen Maen zugeschneidert zu finden; zu einem gewissen Grade traf das auch zu. Mich dort 'zu Hause' fhlen, hatte ich nie erwartet. 'Zu Hause' hatte
ich mich nicht einmal in Wriezen gefhlt.