Was konnte man dafr kaufen? Sehr schwer heute Vergleiche zu finden. Die Kaufkraft des Geldes war ungefhr so: fr 1 Mil konnte man 5 Apfelsinen kaufen (wenn berhaupt jemand dafr
Geld ausgab bei der Flle von Frucht ringsum). Mittagessen im "Arbeiterrestaurant" in Tel-Aviv kostete 5 Grusch (1 Shilling). Fahrt mit dem Autobus nach Tel-Aviv zwei der drei Grusch. Das tgliche Essensbudget pro Person im Kibuz
war 26 Mil (lsst sich das heute noch berechnen?) Eine Arbeiterfamilie (Bauarbeiter verdienten mehr) hatte mit vier Pfund im Monat auszukommen. Im Vergleich zu dem Lebensstandart der kleinen Arbeiterkibuzim ging das noch an; die
waren noch weit darunter. Nach Eintritt Italiens in den Krieg auf Seiten der Deutschen aber, im Mai 1940, war die Verbindung nach Europa abgeschnitten und die Zytrus-Wirtschaft gelhmt. An Stelle verhltnismssiger wirtschaftlicher
Stabilitt trat Arbeitslosigkeit und Ungewissheit. Nicht nur das allein: viele der Pflanzer waren nicht im Stande ihre Plantagen ohne entsprechende laufende Einnahmen whrend der Kriegsjahre zu halten; viele Parzellen wurden
verlassen oder ausgerodet. Nur wer ber Reserven verfgte, um die sechs Kriegsjahre zu berbrcken, konnte Stand halten - nur die Groen.
Die kurze Konjunktur, der sich die Juden von Beginn der Dreissig erfreuten, fand ihr jhes Ende mit Ausbruch der Unruhen von 1936. Arbeitslosigkeit trieb die Menschen zur Flucht,
zurrck nach Europa, nach Polen - noch 1938 waren die Schiffe voll mit Rckwandern - in den Todt. Eine derartige Situation war nicht dazu angetan, die Spannung zwischen Arbeitssuchenden und Pflanzern zu mildern. Nicht nur
wirtschaftliche Interessen waren da im Spiel, die Gegenstze warem im Grunde politisch. Beide Lger waren Kontrahenten innerhalb der zionistischen Bewegung. Wer will, kann das alles in den Geschichtsbchern nachlesen. Gegenber dem
Lager der "Chaluzim", die den Sozialismus in die Tat umsetzen wollten, stand das "nationale Lager", das "liberale Wirtschaft" forderte und vor allem das Joch organisierter Arbeit abschtteln wollte, zu Gunsten niederiger
Arbeitslhne - kurz, arabischer Arbeit. Araber, vor allem 'Einwanderer' aus dem Hauran, waren bereit fr 10 Grusch Tageslohn zu arbeiten In den Pardessim trieb sie ein Stckchen 'Lakerda', angehngt am lezten Baum der Reihe, als
"Preis" fr den der als Erster anlangte. Die jdische Gewerkschaft versuchte, ohne viel Erfolg, die Pflanzer an der Beschftigung arabischer Arbeiter zu hindern. Es kam zu blutigen Zusammensten und Einmischung der britischen Polizei.
In Kfar Saba wurde die Schlacht mit Hilfe von Turia-Stielen ausgefochten. Vielleicht findet sich noch irgendwo ein Heftchen mit dem Namen "Kfar Saba" des jdischen Poeten A. Schlonski, einer der Ideologen der Auseinandersetzung.
Viele der jdischen Pardess-Besitzer waren alles andere als begeistert von der 'chaluzischen' Alija; sie htten eher eine wirtschaftspolitische Form hnlich den britischen afrikanischen Kolonien vorgezogen, wo der "Native" die Hacke
unter der absoluten Herrschaft des weien Mannes schwingt. Diese Polarisierung blieb nicht im Rahmen des Arbeitskonflikt allein. Sie griff im Sommer 1940 auf das Gebiet der 'Security', d.h. aufs quasi militrische ber und entzndete
den ganzen Scharon.
"Sicherheit" stand im Mittelpunkt des tglichen Lebens im jdischen Sektor und ihr zentraler Ausdruck war fr uns die "Hagana". Noch als "Alija-Gruppe' in Holland erfuhren wir, da
eine Chawera von Kibuz "Machar" von einem Araber erschossen wurde, als sie sea Abends aufs Feld ging um den Wasserhahn zu schliessen. Ihr Begleiter war mit einem illegalen Revolver bewaffnet. Er konnte sie nicht schtzen, wohl aber
den Angreifer erschieen. Die Englnder verhafteten ihn unter dem Verdacht, das Mdel umgebracht zu haben, trotzdem die Leiche des Arabers gefunden wurde. Die Sache wurde eingerenkt, wie damals blich, in politischen Korridoren. Zwei
Jahre vorher war der Bcker von "Ramat Hakowesch" im Camp erschossen worden. Daher war "Sicherheit" im engsten militrischen Sinn fr uns immer mit Erez Jisrael verbunden. Wir waren kaum eine Woche im Land, so wurden wir in die
Reihen der "Hagana" 'eingezogen'. Richtig mit formeller rzticher Untersuchung und Vereidigung (ja, Vereidigung in besonders strenger Form, die die Verpflichtung zur "Hagana" ber die Mitgliedschaft zum Kibuz stellte, zweifellos ein
Sentiment, das hier und da im Offizierskorps der "Hagana" herrschte). Instruktoren waren u.a. Angehrige der 'Hilfspolizei', unter ihnen ein 'Jeke' namens Mendelsohn, der sich uns als ehemaligen Feldwebel der deutschen Armee
vorstellte - und so benahm er sich auch! Er brllte die 'Rekruten' nach bester preuischer Tradition an. Einen von Kibuz "Machar", etwas linkspotschig, mit einem Kppchen dazu, schrie er an: "Lilienstein, stehen Sie nicht da wie in
der Synagoge!" Wie auf einen deutschen Exerziersplatz. Man nahm damals derartiges noch mit Humor hin.
Der Ausbruch des Krieges am 1. September 1939 erschtterte uns, wenngleich er zu erwarten war. Schon unterwegs noch, auf hoher See, hrten wir die Vorgeplnkel in Danzig. Wir, unsere
Alija-Gruppe, fhlten uns in letzter Minute gerettet. Viele unser Freunde aber waren zurrck geblieben und warteten auf einen zweiten Transport. Eltern und Schwester wusste ich in Sicherheit in Chile. Wohl sorgte man sich um das
Schiksal der Juden Europas; was werden sollte, davon hatte keiner eine Ahnung. Eine unmittelbare Gefhrdung Palstinas, ber dessen Wohl und Wehe England entschied, konnten wir nicht abschtzen.
Nach Kriegsausbruch erhoffte die Jewish Agency eine engere militrischen Zusammenarbeit mit der Mandatsregierung, sei es durch Mobilisierung jdischer Kampfeinheiten im Rahmen der
britischen Streitkrfte, sei durch Verstrkung der inneren Sicherheit. Den ersten Schabbat nach Kriegsausbruch erklrte die "Hagana" als allgemeinen Exerziertag (nirgendwo erhoben sich Stimmen, den Schabbat dazu zu bentzen). Auf
einem groen freien Feld bei Kfar Saba exezierten also hunderte von Juden im wehrfhigen Alter und auch darber, alle in Khaki (die bliche Arbeitskleidung damals), und Mittags erschien sogar der britische Kommandant der
Bezirkspolizei, um die Parade in vollster Befriedigung abzunehmen. Nur da His Majesty's Government in London andere Erwgungen vorzog. Die Sorge im Foreign Office war vor allem, die Ruhe der Araber whrend der Kriegsdauer zu
erkaufen. Die Antwort war das Weibuch.
Die Wellen der Entrstung im jdischen Sektor schlugen hoch. Riesendemonstrationen gegen das Weibuch fanden berall statt, auch in Kfar Saba. Jeder hatte einen Turia-Stiel in der
Hand und einen Stein in der Tasche, sollten die Englnder es wagen, die Demonstration stren zu wollen (die Englnder waren anderweitig beschftigt). Die militrische Frage ging also dahin zurrck, woher sie gekommen war,
nhmlich Untergrund. Die bungen fanden am Abend in versteckten Barakken statt oder in Pardessim. Man drillte uns nach Handbchern zur Ausbildung von Eingeborenen in den Kolonien. Wie dem auch sei - die verschieden Bennungen der
Gewehrteile weiss ich noch; schieen lernte ich nicht damit. Am Ende der 'Rekrutenzeit' fand ein groer Tagesmarsch statt, mitten durch arabische Drfer und das arabische Stdtchen Kalkilja (Lerne den Feind kennen!). Der Marsch endete
im benachbarten Ramat Hakowesch und mit einer zndenden Rede Bankovers, der bei dieser Gelegenheit 'amtlich' seinen Eintritt in die britische Armee ankndete. Dr. von Weisel, seines
Zeichens ehemalig kaiserlich sterreichischer Offizier (z.Zt. Leiter des Tuberkulosenheims in Gedera), erklrte uns, auf Hochdeutsch und mit Hilfe eines Dolmetschers, warum ein Sieg der Alliierten erzgewiss
ist.
Innerhalb des 'Jischuw' (d.h. im jdischen Sektor) wuchsen die politischen Spannungen. Der Gegesatz zwischen den Revisionisten und dem Arbeiterlager verschrfte sich und es kam
immer hufiger zu Zusammensten. Die Revisionisten 'pfiffen auf die 'organisierte Arbeit' der Histadrut und die Abkommen mit den Pflanzern. Sie wollten vor allem der Vorherrschaft der Histadrut und enstehende Streiks brechen. Auch
in Fragen der inneren Sicherheit. Die Araber ihrerseits hatten mit Kriegsausbruch die Gewaltttigkeiten gegen die Juden eingestellt, ein Interims-Abkommen mit den Englndern. Die Revisionisten sahen in dieser 'Waffenruhe'
Gelegenheit zur Bekmpfung der "Hagana" (die wie Histadrut und Jewish Agency Ben-Gurion unterstand). Waffenlager wurden ausgeraubt und bei einem Zusammensto wurde ein Mitglied des "Ezel" in Herzlija erschossen. Die "Hagana
erklrte Curfew: das Haus des Brgermeisters in Kfar Saba (Mapai) wurde bewacht und ich verbrachte eine Anzahl Nchte vor seiner Tr (in seinem Auto), bewaffnet mit einem Turia-Stiel. Wir unsererseits entwendeten, unter
Indianergeheul, den Revisionisten ein 'Waffenlager' oder das, was man sich damals unter Waffenlager vorstellte. Was war schon gro an den paar Schrotspritzen dran?
ber unsere Gesundteit wachte die "Kupat Cholim". Gleich nach unserer Ankunft trugen wir uns als Mitglieder ein. Unsere 'Krankheiten' als Neueinwanderer waren, wie bei allen,
Furunkel, einige bekamen Malaria oder Typhus, damals noch weit verbreitet. Ich erinnere mich noch an Dr. Borodiainski (spter Dr. Bar Dajan und Bezirksarzt) wie er mit 'Horse and Buggy' in Kfar Saba von Tr zu Tr fuhr. Ihn und
seine Frau (auch sie rztin, Dr. Sussman; wie blich bei der russischen Intelligentsia bestand sie auf ihrem Mdchennamen). Beide warmherzig und 'down to earth'. Als damals ein Gercht in der Moschawa umging, die Quelle des Typhus
seien die Falaffel und der Gasos vom Kiosk, ging Borodiainski selbst, am hellerlichten Tage dorthin und ass mit Gusto ein Falaffel, um den Unsinn zu widerlegen. Zum Facharzt wurde man in die
Zentral-Klinik der Kupat Cholim, Zamenhoff Strae, Tel-Aviv berwiesen. Wie heute noch, so fuhr auch damals schon Autobus 5 bis 'Zamenhoff' und gemeint war natrlich die Klinik. Zyniker behaupten, die
Einzige, die das Gedenken an den Erfinder des Esparanto aufrecht erhlt, sei eben die Kupat Cholim...
Wir waren auch, soweit unsere sprlichen Mittel dazu berhaupt langten, an dem Kultuleben Kfar Sabas beteiligt. Politisch nahm man natrlich Teil im Arbeiter(innen)rat, zusammen mit
noch Kibuzim, die damals zeitweilig in Kfar Saba waren, u.a. "Manoff", heute "Dan" an der nrdlichen Grenze.
Ich entsinne mich noch an meine erste Theaterauffhrung im Land, einer Auffhrung der heute nicht mehr bestehenden Bhne des "Ohel". Viel 'Kultur' nahmen wir nicht in uns auf, wie
gesagt, Geld hatten wir nicht, aber auch kaum Kraft nach einem Tag Zwangsarbeit im Pardess. Sogar das Lesen im eigenen Zelt war beschrnkt, aus Mangel an Petroleum. Aber eine kulturelle Ablenkung fanden wir, fr damalige Zeiten
absolut ungewhnlich: ein Konzert mit Erluterungen eines Musikologen, ein Dr. Steinitz in Ramot Haschawim. Ramot Haschawim war das Dorf der 'Eierjekes', deutsche Einwanderer, unter ihnen auch Akademiker, die daselbst eine
Geflgelwirtschaft etabliert hatten. Leben konnte sie damals nicht davon, und so suchte sich halt jeder eine Nebeneinnahme. Daher stand am Eingang des Husschens des Herrn Dr. Steinitz ein Stuhl mit einem Teller, auf den jeder einen
oder zwei Grusch legte (wer ihn hatte) und whrend zweier Stunden konnte man ein Feuerwerk von Recitals auf dem Bechsteinflgel geniessen und den Vortrag eines hervorragenden Fachmanns. Und das, wenn auch nur fr kurze Zeit, im
europisch kultivierten Interrieur einer schnen Wohnung - fr uns Zeltbewohner kein geringeres Erlebnis als die Musik selbst.
Weltanschauliche Unterschiede zwischen der deutschen und der czechischem Alija gab es nicht - wohl aber Zusammenste zweier sich fremden Kulturen. Unter normalen Umstnden und
wirtschaftlichen Bedingungen wren Gegenstze garnicht in Erscheinung getreten. In einer Situation, in der die bloe Existenz absolut nicht gesichert schien, soziologische und kulturelle Unterschieden fhrten zu Frustrierung, fr die
es keine Erklrung gab. Vielleicht war es die Sehsucht nach einem gesicherten und geordnetem Leben, die jeder von Haus mit sich brachte. Die Deutschen bemhten sich, rationell zu sein, bei den Karpatho-Russen ging das nicht so
glatt. In so 'nebenschlichen' Sachen wie z.B. Essen konnten sie weniger Selbstbeherrschung an den Tag legen, sei es auch nur 'um des erhabenen Zieles willen'. Sie hatten wenig Verstndnis dafr zu hungern und intellektuelle
Erwgungen ber materielle zu stellen.
Diese beiden Teile setzten Kibuz "Machar" zusammen. Nicht da intelletuelle Unterschiede zwischen beiden Gruppen bestanden htten; ein Teil der ehem. Leute aus P.K.R. stammten
allerdings aus gottverlassenen Drfern, die berdies im Laufe der modernen Geschichte einige Male ihre Souvernitt wechelten, so da die Kinder zu Hause Jiddisch, un der Schule Czechisch und auf der Stae Ungarisch sprachen. Die Juden
in Munkacz aber unterhielten ein Gymnasium, dessen Unterrichtssprache Hebrisch war.
Es gab schon Unterschiede in der Mentalitt beider Gruppen. Die aus der P.K.R. stammenden wuchsen als Kinder in einer chassidischen Atmosphre auf, die aus Deutschland kamen
grtenteils aus nicht-religisen Husern. Fr sie war diese Kultur fremd, sie kannten sie hchstens aus der Literatur. Unter den Czechen ragte besonders Joseph Ja'akobowitsch hervor, der die Jeschiwa absolviert hatte und sogar
Rabinats-Kandidat war; er hngte die Theologie an den Nagel und wandte sich der Chaluzbewegung zu. Er war gebildet, aber sein Verstndnis fr die Umwelt ging nicht ber den engen kulturellen Horizont hinaus, in dem er aufgewachsen.
Ihm gegenber stand Chajim Neuburger aus den 'jekischen' Lager, seiner Zeit auch er Rabiner in Danzig, Intellektueller und Reform-Jude, Welten umschlingend, aber bar jenes Stckchen festen Bodens unter den Fen, da man braucht um
nicht die Balanze zu verlieren.
Die Meisten der Czechen, hauptschlich die in den Drfern aufgewachsenen, waren gesund und krftig gebaut, ausgezeichnete Arbeiter und in allen Pardessim gesucht. Das festigte ihren
Status in der Pluga, deren Unterhalt vor allem auf physischer Arbeit begrndet war. In der allgemeinen gesellschaftlichen Hierarchie aber gab das deutsche Element den Ton an - ein Grund fr Missverstndnisse und Spannungen. Schuld an
allem war natrlich unsere verzweifelte wirtschaftlich Lage, die sich mit Eintritt Italiens in den Krieg noch verschrtfte. Der Zytrus-Export war vllig unterbunden und Arbeitslosigkeit erschreckend. Der Kibuz konnte kaum noch die
minimalsten Bedrfnisse decken. Kein Petroleum fr die Zimmer, an die 26 Mil pro Kopf war schon lange nicht mwhr zu denken und geflickte Hosen waren die Mode des Tages.
Ein jeder reagierten auf die verzweifelte Situation entsprechen Temperament und per-snlichem Niveau. Die mehr erzogenen zeigten nie nach
Aussen hin, da auch sie litten; nach heutigen Begriffen entsprach unsere Lage dem was man heute weit unter der 'Poverty Line' nennt. Die Einfacherern unter uns begehrten auf. Zwei oder drei rannten zur britischen Armee: "Dort
haben wir weigstens was zu essen". Mit den britischen Streitkrften kaen sie nach Creta. Einer fiel, zwei gerieten in deutsche Gefangenschaft und verbrachten die nchsten sechs Jahre in einem Stalag, sicher nicht mit Gourmet-Kche.
Ganze Seiten liessen sich schreiben Uber das Thema 'Essen' in den Kibuzim und Lebenststandart der Mitglieder berhaupt. Die Kche von Kibuz "Machar" zu mindestens zeichnete sich
unter die vielen Arbeiter-Kibuzim in den Moschawot aus. Die Medaille verdienen hier die czechischen Mdels: sie verstanden beste Tradition ungarischer Kche mit Sparen und Improvisation, die sie aus ihren Drfern in der PKR
mitgbracht hatten, zu verbinden. Aus den 26 Mil des Budgets holten sie das Maximum heraus. In den meisten Kibuzim war die Situation auf diesem Gebiet alles andere als zufriedenstellend und oft nicht zu recht. Die Kchinen polnische
Herkunft verstanden es nicht unter Bedingungen von Be- schrnkungen, und vor allem ohne Fleisch auszukommen. Ihnen zu Hilfe kam dann auch eine Ideologie, die erlaubte, vor allem in Schichten der 'Intelligenz' im Essen
etwas neben-schliches, untergeordnetes zu sehen, der Aufmerksamkeit des 'Denkers' unwrdig (S. Maliz -"Kreise" - Publ. Hak. Ham. 1942). Auch Kibuzim mit einer
entwickelten Landwirtschaft sorgten nicht immer fr ein Angebot von Produkten fr ihre Kche, wenn die Kchinen dies nicht ausnutzen konnten oder wollten. Den Rekord fr ungeniesbares Essen hielt zweifellos jahrelang Meschek "Jagur"
Man begrndete das, mit gewisser Berechtigung, da Jagur das Ausflugsziel des benachbarten Haifa war; hauptschlich an Freitagabenden. Wer wollte kam uns setzte sich im Essaal dierekt an einen Tisch - vom original-kibuzischen
Gesichtspunkten aus gesehen vielleicht korrekt, aber sicherlich nicht von wirtschaftlichen. Der Kompromis war Einschrnkung des sowieso mageren Mens. Was die Haifaer bewegte den Freitagabend durchaus im berfllten Essaal von Jagur
zu verbringen, an ungewaschenen Holztischen und Blechtellern mit Wassersuppe - das will bis heute nicht in den Kopf, zumal ein grosser Teil der Arbeiter gar keine Sympathie fr die Kibuzbewegung hegte.
Den Standart des Wohnraums bestimmte die Mitgliedszeit im Kibuz. Man unterschied zwischen Zimmer im Haus, Barakke oder Zelt. Unverheiratete wohnten zu zweit oder zu dritt. Junge
Paare hatten zu warten, bis fr sie etwas frei wurde. In Kibuzim wie "Machar", im zeitweilligen Campus, gab es nur Barakken und Zelte. Aber auch in den bereits angesiedelten Kibuzim war der Bau von Wohnhusern in den
dreissiger Jahren erst in den Anfngen. Die Zimmer in den Barakken waren fr gewhnlich nicht grer als 33 Meter. Von 'Ruhe' war nicht zu reden, die dnnen Holzwnde einer Barakke mit vier oder fnf Zimmern lieen gar keine Stille zu.
Abgeschlossener war schon das Zelt. Ein Zelt aber wurde nicht als feste Wohnung angesehen; die Notwendigkeit Arbeit auerhalb zu suchen, bentigte manchmal auch die Mitnahme eines Zelts. Nicht selten fand sich so ein Zeltbewohner
des Morgens unter freiem Himmel - ein Team das in die Ferne fuhr hatte ihm das Zelt ber dem Kopf abgebrochen...
Die Existenz des Kibuz hing zeitweise gnzlich von der Arbeit auerhalb ab. "Machar" hatte immer einige feste Arbeitspltze drauen: in S'dom am Toten Meer, im Kali-Werk` die
Kibuzzentrale unterhielt dort ein Campus mit Kche und Behausung (Zelten) fr eine groe Anzahl Leuten aus dem ganzen Land. Dann gab es den Hafen und den Bahnhof von Tel-Aviv, wo Transportgut ein- und auszuladen war. Auch hier
arbeiteten Angehrige des Kibuz Hame'uchad aus dem ganzen Land. Dorthin, und an noch alle mglichen Pltze sandte die Zentrale ihre Mitglieder, in dem Mae wie berhaupt Arbeit war, unter katastrophalen Lebensbedingungen und Lohn, der
nicht immer die Unkosten von Reise und Unterhalt berechtigte. Manchmal bernahm man eine Arbeit im 'Akkord' und Minimallohn, um die Araber von dort zu verdrngen. Doch bereits 1941 beschlo die Zentrale die Arbeitspltze im Hafen und
Bahnhof von Tel-Aviv aufzugeben. Der Grund: fortschreitende Demoralisierung der dort arbeiten Kibuzmitglieder. Whrend der Ladearbeiten lie sich mancher zum Stehlen ver- fhren. Diebstahl war allgemein blich dort, quasi
Kavaliersdelikt. Die niederigen Gehlter von Leitern und Beamten verfhrte zum 'Ausgleich' durch Entwendung verschiedener Waren aus 'zufllig' zerbrochenen Kisten. Auch mancher unserer Chawerim wollt da nicht zurck stehen - sie
prahlten zu Hause mit ihren 'Erfolgen': wie man eine Kiste genau auf die Kante fallen lsst, damit sie richtig aufspringt. Natrlich erwarteten einen auch Enttuschungen: eine nakte Frau auf dem der Verpackung wies nicht immer auf
den Inhalt hin; manchmal waren es nur Pistonringe...
Mit der Einschrnkung der Arbeit in den Zytruspflanzungen suchte die Kibuzzentrale Arbeit in anderen Teilen des Landes. Besser fundierte Kibuzim in Moschawot mit einem greren
Arbeitsmarkt wurden verpflichtet auf eine gewisse Anzahl Arbeitspltze zu Gunsten der kleineren Plugot. Beni Meharschak, Chawer "Giv'at Haschloscha" hatte damals das Arbeitsdezernat der Zentrale unter sich. Er huldigte einem
'durchgreifenden Aktivismus' (nicht unhnlich Arik Scharon unserer Tage) und sah im Arbeitsmark des ganzen Landes seine per-snlichen Jagdgrnde.
Denn inzwischen war etwas geschehen: Rommel hatte sich in Nord-Afrika festgesetzt und die Englnder begannen ihrerseit groe Streitkrfte zusammen zu ziehen. Nicht gerade aus
England, sondern vor allem aus Australien und Sd-Afrika. Man begann riesige Militrlger zu bauen, mit Steinhusern und Barakken, Straen und Rollfelder fr Flugpltze. Bauunternehmer im Land, Juden und Araber, bernahmen die Arbeit. Die
bedeutesten jdischen Firmen waren damals Solel Bone und Diskin. Fr Arbeitskrfte sorgten die
Arbeitsmter, die Kontrolle unterstand der Histadrut. Die Arbeit wurde nach Landesmastab verteilt - arbeitslos waren nicht nur die Kibuzim, weit mehr die groen Stdte.
Fr die Arbeiter errichteten die Baufirmen an den Baupltzen Arbeitslager mit Zelten, grtenteils im Sden des Landes. Anfangs war die Kontrolle
nicht all zu scharf und Beni Meharschak versuchte die doppelte Anzahl der ihm (der Kibuzzentrale) zugteilten Arbeits-pltze zu belegen, in der Annahme, da man sich schon irgendwie durchschwindeln kann. Diese
Sorte von 'Aktivismus' trug Beni Mharschak zwar Verehrung und Hochachtung der Kibuzzentrale ein, die Histadrut aber verstand keinen Spa und stellte ein Ultimatum: entweder jeder Uberzhlige zurck oder Aussperrung.
Wer Auerhalb arbeitete ohne fest angestellt zu sein, wurde von mal zu mal ausgewechselt. So z.B. in S'dom am Toten Meer. Dort arbeitete man drei Wochen hintereinander und fuhr
dann auf eine Woche Urlaub nach Haus. Einer der Grnde dafr war die Verbindung. Von Jerusalem gab es zwar geordnete Autobusverbindung nach Kalia, am nrdlichen Toten Meer. Doch von dort aus nach S'dom, dem Sden, gelangte man
nur per Motorschiff der Kali-Gesellschaft, eine Fahrt von neun Stunden. An eine Heimreise bers Wochenende war also nicht zu denken. "Machar" hatte auch zwei bis drei Arbeitspltze in "Bet-Ha'arawa", dicht bei Kalia (und bei
Jericho), Akkord-Arbeit, zu Dumping-Lhnen. Jeden Monat wurde man ausgewechselt.
Eine andere Art von Auenarbeit war die sogenannte 'Ausbildung' in den verschiedenen landwirtschaftlichen Betriebszweigen, die "Machar" wahrscheinlich bentigen wrde, sollte man,
nach Jahr und Tag, doch einaml angesiedel werden. Es waren da Landbau und Grnfutter, Milchwirtschaft und Geflgelzucht, Obst- und Wein- und Gartenbau. Pltze zur Ausbildung gab es in den alt eingesessenen Kibuzim, die meisten dieser
Zweige betrieben. Die Meschakim selbst nutzten die 'Praktikanten' wie heute die 'Voluntairs' von bersee - gegen Tisch und Bett. Zu gleichen Bedingungen nahm man auch 'Assistenten' als 'Stage' auf, Lehrer- und Kinder-
grtnerinnen.
Im Sommer 1940 schloss sich Kibuz "Machar" eine (deutsche) Jugendgruppe an, die ihre Lernzeit in Ejn-Charod absolviert hatte, an die 20-25 Jungens und Mdels. Nicht alle blieben.
Fr "Machar" bedeutete das ein ernsthafter Zuwachs von Fachleuten in allen mglichen Betriebszweigen - vorerst aber mehr Mnder zum fttern. Mit zwei der Neuen fuhr ich Sommersende nach Bet Ha'arawa am Toten Meer.
Reisespesen, auch zur Fahrt zum Arbeitsplatz, waren fr "Machar" immer ein Problem. Hufig versuchte man daher sein Glck mit 'Tramp' (ein Chawer Kibuz
"Machar" verlangte einmal freie Fahrt im Autobus, da er als Kibuzmitglied mittellos sei), nicht immer mit Erfolg. Alles in allem eine Nerven aufreibende Angelegenheit. Von Kfar Saba kam man nach Jrusalem nur ber Tel-Aviv. Eine
Zentralstation gab es noch nicht; nach Jerusalem fuhr man von Rothschild Blvd. Nach Kalia, an der Nordseite vom Toten Meer gab es eine bequeme Autobusverbindung. Wir aber hatten die Lastwagen der 'Deadsea-Works' zu bentzen, die
vom Headoffice nicht weit vom 'King David' Hotel losfuhren. Die Laster waren offen, nur mit einem niederigen Gitter ringsum gesichert. Natrlich war es auch damals verboten Personen auf offenen Lastern zu transpotieren, aber wer
scherte sich darum.
Das Tote Meer liegt zu Fen der Jerusalemer Berge, zum greifen nahe. Bekannt ist die Anekdote vom jungen britischen Offizier, der, ausgerstet mit Badehose und Handtuch, von seinem
Hotelzimmer in Jerusalem die 10 Minuten bis zum Strand runter zu laufen meinte. Die Entfernung ist 40 Km und der Hhenunterschied 1200 Meter. Den Lenker des Lastwagens interessierte es nicht im Geringsten, ob bei ihm jemand
hinten drauf sa. Und berhaupt, Kibuzniks waren weniger als Dreck. Die Fahrer fuhren wie verrckt die Kurven der engen Strae nach Kalia hinunter, in weniger als 40 Minuten. Wir klammerten uns ans Gitter, um in den scharfen Biegungen
nicht einfach vom Wagen zu fliegen, den Mund sperrweit offen gegen den wechselnden Hhendruck, der uns die Trommelfelle zu sprengen drohte.
Bet Ha'arawa befand sich einige huntert Meter nrdlich des Kali-Werks. Alle war noch im Anfang. Nur einzele Steinhuser standen bereits, geschzt ringsum durch ein 'Tropendach' (wie
in Sd-Ostasien), Blechhtten, eine grosse Barakke fr Kche und Essraum und viele Zelte. Die Grnder von Bet Ha'arawa waren 'Sabres' und ehm. Angehrige der Jugendbnde. Eine Gruppe deutscher Jugendalija aus Aschdot Ja'akov schloss sich
ihnen an. Und dann noch eine Menge Leute aus allen vier Winden, unter ihnen zwei 'Jekes' aus Giv'at Brenner, die die Kibuzzentrale 'aus politischen Grnden' nach Bet Ha'arawa 'verbannt' hatte. Spter, nach der Staatsgrndung,
versuchte die Polizei unerwnschte Elemente der Unterwelt nach Eilat zu verbannen, solange die Verbindung nach Norden noch so ungewiss war - und die Eilater sich das gefallen liessen.
hnliche Erwgungen mag auch das Zentral-Kommitee des Kibuz Hame'uchad im Sinn gehabt haben, als die beiden 'wegen kommunistischer Umtriebe' aus Giv'at Brenner nach Bet Ha'arawa
versetzte, lt. Kommitee-Beschlu. Die Stellung des Kibuz, wie der ganzen Arbeiterbewegung berhaupt, dem Kommunismus gegenber war ambivalent, wenigstens bis zum Eintritt Russlands in den Krieg. Nur schwer konnten sich die
Kibuzbewegung damit abfinden, da die sowjetische Ideologie den Kibuzgdanken und den Zionismus ablehnte. Ihre Fhrer glaubten darin nur 'ein zeitweiliges Miverstndnis' zu sehen. Die antikommunistische Einstellung hatte mehr
ihren Grund in der Haltung der PKP - der palstinensischen Kommunisten, die die Kibuzbewegung als solche nicht anerkennen wollte. Aber auch Ben Gurion lehnte eine Koalition mit den Kommunisten grundstzlich ab, auch nach der Staats-
grndung. Na, und fr die Araber waren Russland und der Kommunismus sowie das rote Tuch.
Von Auen machte Bet Ha'arawa eher den Eindruck einer Gymnasiastenklasse bei ihrem jhrlichen Ausflug, als der harte Kern von Ansiedlern. Alle nahmen
das Leben auf die leichte Schulter und nahmen ihre Umgebung nicht all zu ernst. Am Abend sa man im Kreis und sang. Irgendwelche landwirtschaftlichen Betriebe existierten noch nicht.Versuchsweise begann man einige Beete zu
bepflanzen, nachdem man sie vorher mit groen Mengen Swasser berflutet hatte, die man aus dem nahen Jordan pumpte. Die Haupterwerbsquelle war das benachbarte Kali-Werk Die fest angestellten arbeiteten in der Fabrik, die Kali-Dnger
aus dem getrockneten Salz des Toten Meeres erzeugte. Auch im Bromwerk (unter Leitung eines 'jekischen' Chemikers), wo das Brom in Glassballons gezogen auf riesigen Lastern durch die Wste nach Bazra transpotiert wurde.Die
andere Arbeit war das Ausladen von Salzbooten, die vom Sd-Werk, aus S'dom, kamen. Die meisten Verdunstungs-Bassins, in denen das Salz durch Verdunstung gewonnen wurde, war in S'dom, die Fabrik aber, die den Rohstoff zu Dnger
verarbeitet war im Norden. Das Ausschippen der Boote war Akkorarbeit, die fr gewhnlich von Hauranern aus Hadramaut (die 'Fremdarbeiter' der Epoche) und zu entsprechendem Lohn verrichtet wurde. Der Kibuz wollte diese Arbeit
'erobern' zu 50% des bliches Durchschnittslohnes. dafr waren wir in Bet Ha'arawa, denn die allein hatten nicht genug Leute, um dem Vertarg mit dem Kali-Werk gerecht zu werden. Jedes Ausladen brauchte 10-12 Menschen, die solch ein
Boot in ein paar Stunden leer schaufelten, zum voraus bestimmten Akkordlohn.Ein Kran lie einen Behlter ins Boot hinunter und entlud ihn oben auf dem Kai in Feldbahnwaggons. Feste Arbeitsstunden gab es nicht, man hatte sich mit
Telefonanruf im Hafen einzufinden, Tag und Nacht, wann immer ein Boot ankam. Auch dei Fabrik arbeitete Nachts. Die Leute von Bet Ha'arawa wechelten sich tglich aus, wir hatten, auf Gedeih und Verderb einen Monat durch zu halten,
sonst htte sich das fr uns berhaupt nicht gelohnt.
Es war Oktober 1940 als ein Unglck in Bet Ha'arawa passierte. Zwei Jungens wurden von Arabern ermordet, als sie bei Instandhaltung der Pumpe am Jordan beschftigt waren, wenige
hundert Meter vom Campus. Eigentlich war es gar kein Terror-Akt, wie wir heute sagen wrden. Der Jordan war damals politische Grenze des mandatorischen Palstinas und bergang war nur an
bestimmten Grenzstellen erlaubt. Als drei Jungens nun sich mit der Pumpr beschftigten, tauchte pltzlich ein Boot von anderen Ufere auf und darin mehrere Araber. Die Jungens riefen den Arabern zu, es sei hier verboten zu berqueren.
Als Antwort knallten Schsse, zwei wurden tdtlich getroffen, der dritte tauchte sofort und erreichte Minuten spter das Campus. Einen der getteten fand man sofort, den enderen am nchsten Tag. Englisches Militr durchstreifte die
Gegend - nichts - es war einfach ein Zusammensto mit Schmugglern gewesen.
Noch ein zweites Mal fuhr ich hinunter nach Bet Ha'arawa. Es war im Januar, Sturm und Regen und keine Verbinding von Jerusalem zum Toten Meer. Fr Notflle hatten wir eine Addresse
in der Tasche, Kibuz Ramat Rachel, dort knnten wir eine Nacht Unterkunft bitten. Esther Tobias, werdende Kindergrtnerin arbeitete dort Stage nach Beendigung des Seminars. Ramat Rachel war die Endstation der Autobuslinie 7 in
Jerusalem. Dort angelangt (wir waren ein Team von zwei oder drei) glaubten wir uns am Eingang zu einem Gefngnis zu befinden - maximum security, that is - groe, dstere Gebude mit kleinen Fenstern, von einer Mauer umgeben. Der
Essaal glich eher einer Kaserne: ungehobelte Tische und Bnke, an der Wand ein Riesen Bild von Trumpeldor (die Grnder Ramat Rachels waren die Mitglieder des 'G'dud' auf seinen Namen). Glichen die Gebude einem Gefngnis - die Insasse
kamen gerade zu aus einem 'Gulag'-Film. Alle, Erwachsene wie Kinde, waren in schwere Mntel, Schals und Pudelmtzen eingehllt, bei der schneidenden Klte wohl das Passenste, dennoch ein nieder- drckendes Bild. Man sorgte fr unsere
Unterkunft, als 'Primus' bei einem Ehepaar in einem winzigen Zimmer. Hllisch unangenehm.
Am Toten Meer kamen wir diesen Monat nicht viel zum Arbeiten. Eines Nachts riss der Sturm uns das Zelt ber unseren Kpfen weg. Das Tote Meer, sprichwrtlich fr seine Stille, schlug
Meter hohe Wellen, die Verbingung nach S'dom war tagelang unterbrochen und wir saen mig, auf unsere Kosten.
Wie gesagt, das Tote Meer war nur eine unserer Erwerbsquellen. Whrend einiger Jahre war die Errichtung britischer Militrlager weitaus wichtiger fr uns, vor allem fr die Schreiner
und Mauerer unter uns. Es gab auch Straenbau und das Gieen von Fundamenten fr Militrbarakken. Schon im April 1940 fuhr ich mit einer Anzahl Leuten, unter ihnen einige der frisch angekommenen Jugendgruppe aus Ejn-Charod, zum Bau
einer neuen Strae, die die Firma Solel-Bone im Auftrag der Englnder durchfhrte, dicht an der gyptischen Grenze, zwischen Chan Junis und Rafa. Es war dies mein erster Frhling im Land, also fr mich schon beinahe Sommer. Unsere
Moral war haushoch. Was wir dort eigentlich tun sollten wute kein Mensch. Wir sollten bloss berall sagen, wir seien Bautischler und Mauerer.
Nach Chan Junis fuhren wir von Tel-Aviv, der Bahnhof war damals noch in der 'Jehuda Halevi'. Es wimmelte von Menschen. Hunderte, die meisten mit Handwerkszeug versehen. Der Zug
war kein Express aber international; er fuhr bis Kantara, am Suez-Kanal. Wie lange wir bummelten weiss ich nicht mehr, nur da wir durch Aschdod, Aschkelon und Ghaza fuhren. Die Abteile waren voll gyptern
auf dem Wege nach Hause. Noch vor Chan Junis stieg die gyptische Passkontrolle ein, Rafa war ja Grenze. In Chan Junis stiegen wir aus, eine Steppenlandschaft. Das Stdtchen (oder war es nur ein Dorf?) bestand aus einer
Sammlung Lehmhtten umgeben von einer Kaktushecke. Ein junger Araber, englisch sprechend, empfing uns und fhrte uns zu einem Zeltlager von Solel-Bone, dem ausfhrenden Unternehmer. Man wies uns ein Zelt an und zeigte uns ein groes,
lngliches Militrzelt, die Kantine. Gefragt nach Waschmglichkeiten wies man auf einen Wasserhahn an einer Ecke des Lagers, darber hinaus zuckte man mit den Schultern. Unser gutes Gefhl bestrkte ein Haufen lterer Araber, die mit
erhobenen Hnden "Heil Hitler!" schrieen.
Der Bau der Stre von Chan Junis nach Rafe erfolgte unter Aufsicht englicher Offiziere. Der Boden war Sand, und das ermglichte schnelle Arbeit, ohne besondere Verbereitungen. Die
Methode war neu, zu mindest in Middle East: Gradieren und Asphalt gieen, ohne Pflastern und ohne Schotter. Das sagt aber nicht, da die Arbeit voll mechanisiert war. Ein Heer von Arbeitern, zum berwiegenden Teil ortsansssige
Araber, waren mit der Gradierung des abgesteckten Raums beschftigt; das Baumaterial lieferte der Boden selbst: zur Vorbereitung des 'Profils' hielten zwei Leute die "Schablone' und Dutzende mit der Turia in der Hand vollbrachten,
was sonst eigentlich die Aufgabe eines 'Graders' gewesen wre. Die Schablone hielten Juden, Facharbeit fr die Intelligenz, immer blieb gengend Raum fr Ungenauigkeiten. Den Englndern aber ging es mehr um schnelle Durchfhrung als
Genauigkeit und auf ein Nevellier zur Kontrolle des Profils vor dem Asphaltguss verzichteten sie.
Die Asphalt-Giemaschine 'Mix and Place' war fr die Drfler sicher das siebente Weltwunder. Sie mischte Sand mit Asphalt, go das Gemisch genau in Hhe und Breite auf das abgesteckte
Profil und walzte es gleich das erste Mal. Der Asphalt aber wurde in Fssern geliefert, der ber einem Feuer erwrmt und im Hllentempo in die Maschine gekippt zu werden hatte, denn man schaffte bis zu einem Kilometer am Tag. Auf der
einen Seite des Mixers fuhr ein Wagen mit Sand, auf der anderen der Wagen mit Teerfssern ber Feuer. Das Tempo war mrderisch. Mit Teer verklebter Flaschenzug und Handkurbel erleichterten keineswegs das Heraufwinden der Fsser zum
Einlauf in den Mixer.
Straengrben, Banketts, Unterfhrungen, alles wurde mit der Hand gemacht. Es war Frhling und die Zeit der 'Chamssine' und glhenden
Sandstrmen. Sand drang in Nase Ohren und Augen ein, die Lippen platzten auf. Waschen am Hahn mit kaltem Wasser war ein Ding der unmglichkeit, Solar und Teer gingen damit nicht runter, von der Kleidung garnicht zu reden. So verging
der Monat April. Zum 1. Mai gab der Leiter bekannt, da wir auch an diesem heiligen Tage arbeiten mten, der Kriegsanstrengung wegen, er versprach uns aber, da Berl Kazenelson hchstselbst voruns, den Werttigen erscheinen wrde, zu
Ehren des ersten Mai. Am 1. Mai tobte ein entsetzlicher Chamssin, mit Sandsturm und 40 Grad im Schatten. Wir arbeiteten weiter, mit entzndeten Augen. Wir banden uns den Mund mit Taschentchern zu und warteten auf das Erscheinen des
getreuen Tribuns. Gegen Abend gab der leiter bekannt, Berl sei unabkmmlich und anderweitig beschftigt mit dringenden Angelegenheiten des in Zion wohnen jdischen Volkes - wir aber hatten unser Teil zum Kriegseinsatz der Alliierten
gegen die Nazis gespendet.
Im kommenden Winter des selben Jahres ging ich mit einer anderen Gruppe als 'Gehilfe' eines Bautischlers nach Qastina. Das im Bau befindliche Militrlager, einer der grten im Land,
ersteckte sich ber ein Gebiet das heute Achim-Junction, Kirjat Malachi und den anliegenden Industrie-Park umfasste, bis in die Nachbarschaft von Moschaw Be'er Tuwia der damals schon. als einziger jdischer Punkt in der ganzen
Umgebung existierte. An der Spitze unserers Teams stand Motke, ein erfahrener Bautischler, der sich hauptschlich auf Bau und Errichtung von Barakken verstand. Die Barakken wurden an Ort und Stelle zusammen gezimmert, Wnde und
Dcher aus Brettern und Balken mehr oder weniger vorgerichtet. Was man brauchte waren Hammer und Sge. Errichtet wurden die Barakken auf Beton-Fundamenten, eine Arbeit der Beton-Leute. Ich hatte kleinen blassen Schimmer, was mein
bescheidener Anteil am Werk dabei zu sein hatte. So dachte scheinbar auch der Arbeitsleiter, der mich umgehend, in Kompagnie mit einem jungen Araber, zum Schieben einer 'Jabonka'
berwies. Eine Jabonka ist eine Eisenkarre auf zwei Rdern, in der man flssigen Beton vom Mixer zum Empfangsplatz ber schmale Holzverschalung zu schieben hatte, und das im Tempo, wobei das Vehikel kaum in der Balanze zu halten war.
ber stolperige Holzverschalungen und Betoneisen erzeugte die zhe, schwappende Betonmasse ihre eigenen G-Krfte und drohte uns beide umzuwerfen. Jeder Beruf verlangt seine Handfertigkeit; die schwappende Jabonka im Laufschritt fort
zu bewegen, wie es sich fr einen erfahrenen Bauarbeiter geziehmt, das war schon etwas. Weit hinten schrie man "Beton! Beton!" und wir saen irgendwo fest ... Ein alter Arbeitsleiter von Solel Bone, der zufllig vorbei kam, murmelte
einen Fluch auf Jiddisch, (in freier, druckreifer bersetzung) seinen Zweifel an meiner und des jungen Araber Fhigkeiten ausdrckend, diesen hohen Bruf mit gengender Eleganz ausfhren im Stande zu sein: "Sei toigen beide oif
Kapores!"
Wir wurden zum Betonmixer versetzt, einer der greren Modelle die ein Viertel Kubikmeter auf einmal mischen, vier Schubkarren. Viermal 2 Eimer Schotter, 2 Eimer Sand und 1 Eimer
Zement hatten wir in den Mixer zu schaufeln, und das unter der Bedingung, da der britischen Sergeant, der die Arbeiten beaufsichtigte, nicht zugegen war. Andererseits waren es dann 2 Eimer Zement. Die Gegenwart des Englnders stand
im direkten Verhltnis zu der Menge von Whisky, die die Leute von Solel Bone (oder auch jeder andere Unternehmer) ihm einzuflen schafften. Ich hatte den Zement in den Mixer zu schtten. Ein Berg von Papierscken mit Zement der Firma
'Nescher' war neben einer tiefen Holzkiste aufgestapelt. Die Kiste mute aufgefllt werden, bevor man die Eimer mit Zement schpfen konnte, kein besonders schwieriges Unterfangwn - wenn man nicht gerade den Wind im Gesicht hatte und
man selbst zu einer Betonstatue wurde. Und Camp 'Be'er Tuwia', so hiess der Platz im Volksmund, hatte keinen besseren Waschraum als Chan Junis - der einsame Wasserhahn am Ende dea Lagers.
Qastina glich einem Ameisenhaufen, Tausende arbeiteten dort, meistens natrlich Araber. Unter den Juden fiel eine Gruppe Jugendlicher auf, die Holzverschalungen von Ngeln
reinigten. Bei Solel Bone sprach man von ihnen mit groem Respekt: "Krit-Amerika!". Es war eine Gruppe Jugendalija aus Amerika, die sich Kibuz "Negba" angeschlossen hatte. Nega hatte sich krzlich als sdlichster Kibuz in Erez
Jisrael nicht weit von hier angesiedelt. Das Besondere an dieser Gruppe scheint ihre amerikanische Herkunft gewesen zu sein; sie alle erinnerten ein wenig an eine Norman Rockwell-Zeichnung in der 'Saturday Evening Post', die
Mdels mit Zpfchen und Schleifchen, die Jungens sorgfltig rasiert und gekmmt.
All diese Ttigkeit war nicht mehr als eine Existenz 'von der Hand in den Mund'; Ich weiss nicht, wieviel nach Abrechnung der Unkosten davon brig blieb - so sah unser Erwerb eben
aus. Aber nicht nur bei uns Kibuzniks. Ein groer Teil der Arbeiterschaft im Land htte mit Freuden einen Arbeitsplatz in einem Militr-Camp angenommen. Das war es, was zu haben war; sogar die Chawerim von Be'er Tuwia konnten es sich
nicht leisten auf die Arbeit im Camp zu verzichten.
Kibuz "Machar" versuchte seine Einnahmen auch anderweitig zu vergrern. Die fnf Dunam Gemsegarten habe ich schon erwhnt. Die Ernte verkaufte man an die Gemselden in Kfar Saba. Viel
bekam man nicht dafr, das Preisniveau bestimmte der arabische landwirtschaftliche Sektor, der eine Flle von Produkten fr beinahe gar nichts anbot. Gab die Kuh Milch, so wurde diese in die nahe Molkerei geschickt. Dann hatte man
auch eine Wschrei fr Auendienst eingerichtet, Kunden waren einige Falien in Ramot Haschawim und im benachbarten Sde Warburg. Einige Frauen arbeiteten auch als
Hausgehilfinen in Kfar Saba. Die Arbeit im Haushalt des Zahnarztes sollte die Zahnbehandlung dere Chawerim decken...
Und dann waren noch die Angora-Kaninchen, die in uerst primitiven Bedingungen gehalten wurde, hundert oder auch mehr. Ihre Ernhrung war ein Problem. Ausser Grass, dass es im
Winter in Hlle und Flle gab, muten ihnen auch Proteine verabreicht werden, in Form von Blut aus dem Schlachthaus, dass mit Trockenfutter vermischt wurde. So fuhr ich dann eine Zeit lang tglich mit einer Kanne Milch in die Molkerei
und zurrck mit Blut vom Schachthaus (in derselben Kanne). Das Haar der Angora-Kaninchen war natrlich das Ziel der Aufzucht. Die Tiere mute man fters mit einem breit zhnigen Kamm kmmen. Die Wolle wurde auf einem Spinnrad aus
Gromutters Zeiten versponnen. Wohin sie verkauft wurde, weiss ich nicht mehr. Die Tiere waren uerst empfindlich gegen Hitze und ein Chamssin konnte eine ganze Zucht vernichten.
Was nocht versuchten wir? Man kochte Schokoladenaufstrich fr eien Lebensmittelladen. Wir begannen eine 'Kleinindustrie' zur Erzeugung von therischem l aus Apfelsinen. Ein Schwamm
montiert auf ein Spinnrad rieb Apfelsinenschalen und saugte dadurch das l aus der Schale auf. Ab und zu drckte man den Schwamm in einen Behlter aus. Ein Liter therisches l rechnete man als einen Arbeitstag; aber nicht von acht
Stunden.
Wir nahmen auch Kinder 'von drauen' auf, zahlende Gste, die in den Kinderhusern untergebracht wurde, dem Alter entsprechend. Ich glaube kaum, da wir viel daran verdienten, der
Vorteil lag eher auf seiten der Kinder und ihrer Eltern. Der Aufenthalt war meistens auf einige Monate beschrnkt, wenn auch in ein oder zwei Kinder blieben. In dem Falle schlossen sich die Kinder einer Familie an und wurden
quasi 'adoptiert'. Der Grund, da Eltern Kinder in einen Kibuz gaben war in vielen Fllen, da es sich um 'schlechte Esser' handelte und der Arzt dazu riet. Oder eine arbeitende Mutter (manches Mal nach Scheidung) suchte zeitweilige
Lsung. Auch die Eltern waren alle Angestellte, die nicht viel zahlen konnten - und was das Kinderhaus den kleinen Gsten bieten konnte war nicht mehr als ein bescheidener Lebensstandart und viel viel Wrme.
Prinzipiell hatte der Kibuz fr die Bedrfnisse einer Mitglieder zu sorgen - Essen, Kleidung, Schuhe. Die Kleiderkammer nhte Kleider fr die Frauen und Hosen fr die Mnner und man war
der Meinung, da das nicht nur besser sondern auch billiger als fertig gekauft sei. Auch Schuhe fertigte man nach Ma an, zwei Schuhmacher, die ihre Ausbildung bei 'Bata' in der Czechoslowakei genossen, nhten Schuhe. Aber die
Wirtschaftler der Kibuzbewegung lernten bald, da Heimarbeit keineswegs mit der Industrie konkurieren kann. Schon in den 40iger Jahren erffnete der 'Maschbir Hamerkasi' seine Verkaufsrume in Tel-Aviv fr die Mitglieder der Kibuz-
und Moschawbewegung. Aber wer konnte sich damals leisten, wirtschaftlich zu denken und zu rechnen? Erst nach Staatsgrndung organisierte der Kibuz Hame'uchad seine Verkaufszentren. Ende der Fnfziger besiegte die Industrie endgltig
das Spinnrad und man deckte fortan seine Bedrfnisse auf dem freien Markt.
Wsche wurde gewaschen wie in jedem Haushalt, mit der Hand, mit Waschbrett und Kernseife. Wohlgemerkt, kein ffentliches Institut, Hotel, Krankenhaus, mit groen Mengen von Wsche,
erlaubte es sich, tglich secheinalb Arbeitstage in Handwsche zu investieren. Dazu gab es auch damals schon Waschmaschinen. In Kibuz "Machar" aber wusch man Wsche wie im Jugendlager, mit der Hand, auch die weitaus grere Menge
Kinderwsche. Der Angsttraum der Kleiderkammer war, da sich nicht gengend Menschen fr die Wscherei finden wrden.
Wie ich ankam waren erst wenige Kinder in Kibuz "Machar", nicht mehr als 10-12, Kleinkinder. Sie waren im Steinhaus untergebracht, wie damals blich: zwei Zimmer zum Schlafen und
zwei zum Aufenthalt. Ob es einen Baderaum gab, erinnere ich mich nicht mehr. Was mir in Erinnerung blieb ist eine Gallerie von Nachttpfen.
ber die Kindererziehung in der Kibuzbewegung habe ich schon gesprochen. Das Prinzip war allen Stmungen gemeinsam. Aber ber alle Ideologie und Wirklichkeit hinweg regte sich
manches Mal der Zweifel im Herz der jungen Mutter, wenn sie ihr Neugeborenes dem Suglingshaus und damit dem Kibuz zur geinsamen Erziehung bergeben sollte. Und
mancher junge Kibuz zerbrach an den Hemmungen der jungen Mtter.
Kinderpflegerinnen waren Fr das Wohl der Kinder bestellt. Waschen, Anziehen, Spazieren gehen. Eine besondere Kinderkche sorgte fr das Essen, eine Kinder-Kleiderkammer sorgte fr
Wsche und Kleidung. Berechnet man die Anzahl der Arbeitstage, die ein jedes Kind kostete, so ergab sich ein ganz anderes Bild von effiency und Billigkeit, als es die Verfechter der gemeinsamen Kindererziehung uns weismachen
wollten. Im Kibuz lag jede Berechnung einem Arbeitstag von acht Stunden zu Grunde. Nicht jede Frau kann in den Pardess gehen Apfelsinen pflcken und ihre Arbeit bei Kindern und Kche ist nicht weniger notwendig (wenn auch nicht
'einbringend', wie die gelufige Redewendung es haben wollte). So schien jede Arbeitskraft am geeigneten Platz ausgenutz, auf dem Papier wenigstens, denn so manche Frau arbeitete whrend der Schwangerschaft berhaupt nicht und Arbeit
bei Kindern und Kche ist letzten Endes auch ein Beruf. Aber Kinderpflege, das macht jede Hausfrau in ihrem Haushalt nebenbei, auch wenn sie auerdem noch drauen arbeitet. Sozialer Fortschritt erweisst sich somit in der untersten
Reihe als eine Geldfrage.
Was die Ernhrung der Kinder betraf, so waren die Meinungen geteilt, nicht nur im Kibuz. Im ganzen Land glaubten viele, die Ernhrung der Kinder drfte keinesfalls von der
wirtschaftlichen Situation der Eltern beeinflusst sein. Banana'le, Sahne, Butter, pfel zu 4 das Kilo, alles das war in den Augen vieler 'Mammes' nicht mehr als das Minimum. Die Kinderrzte ihrerseit teilten auch damals diese
Ansicht durchaus nicht. Sie versuchten ihre Umgebung davon zu berzeugen, da Margarine nicht weniger nahrhaft ist als Butter, da man sehr gut ohne Sahne auskommen kann und da Apfelsinen umsonst aus den Pardess nebenan
durchaus Prestige-pfel zu vier Pfund das Kilo ersetzen. Damals aber fanden derartige Ansichten wenig Gehr, sei es, da viele der Einwanderer des europischen Mittelstandes es sich nicht verzeihen konnten, da der Preis, den sie fr
ihren Zionismus zu zahlen hatten, ein Leben unter der 'poverty line' war.
Whrend der ersten Jahre in Kibuz "Machar" war die Frage der Erziehung der geringen Anzahl von Kindern noch nicht so brennend. Geeignete Pflegerinnen fehlten nicht - nur da
nicht eine jede ber gengend Kenntnisse der hebrischen Sprache verfgte. Mute einmal die bestimmte Kinderpflegerin ausgewechselt werden, sei es wegen Krankheit, oder sie war dringend im Apfelsinenpackhaus bentigt, so muten sich die
Kinder mit dem 'Jiddisch' oder Deutsch der Ersatzpflegerin begngen.
Als ich nach Kibuz "Machar" kam, sprach man schon Ivrit auf den wchentlichen Versammelungen, es gab auch Sprachunterricht; gengend begabte Sprachlehrer gab es unter uns. Die
lhmende Mdigkeit aber die zermrbende Fron des Tages liess die Lernenden ber ihren Heften einschlafen. Ich selbst lernte whrend der ersten Jahre kaum etwas zu dem zu, eas ich von Holland an Sprachkenntnissen mitgebracht
hatte.Schlimmer noch war es um die Frauen bestellt. Nach Tagesarbeit und die Kindern dazu konnten sie viele berhaupt nicht noch bei Ivrit-Stunden konzentrieren. Es gab auch schon einige 'Ulpanim' der Ssochnut. Ein Sprachkurs fr
Neueinwanderer dauerte drei Wochen und kostete berdies noch Geld. Spter lernte ich einige Frauen der Grnder-Schicht von Aschdot Ja'akov kennen, einige von ihnen Akademiker europischer Universitten - Ivrit schreiben konnten sie
nicht, in ihrer Jugend, wie sie ins Land kamen, hatten sie nicht die Zeit es zu lernen.
'Die Gesellschaft' - die Philosophen des 18ten Jahrhunderts sahen in ihr etwas mystisches, eine Krperschaft aus Individuen zusammengesetzt, die sich, dem Willen Gottes
entsprechend, zu einer 'Gesellschaft' zusammenschliessen. Die Obrigkeit ist ihr vertraglich verpflichet, Rechte und Pflichten der 'Unterzeichneten' zu wahren. Die Gesellschaft vertritt, reprsentiert den Einzelen - der Einzele aber
kann nicht der Allgemeinheit seinen Willen aufzwingen. Es ist die Gesellschaft, die zum Hter von Kultur und berlieferung bestellt ist. Die 'Sttzen der Gesellschaft' sind auch ihre Richter. Die Gesellschaft erzeugt Wrme, aber auch
innere Spannungen. Lenin sah in der 'Gesellschaft' einen politischen Ausdruck - die Kibuzbewegung die Verwirklichung des sozialistischen Zionismus.
Die Gesellschaft drckt ihren Willen durch die Mitgliedsversammelung aus, die oberste Instanz im Kibuz. Die Mitgliedsversammelung bestimmt ihre Gremien und besttigt die Be- schlsse
der gewhlten Leitung. Abstimmung durch Wahlurne aber macht aus der 'Gesellschaft' eine anonyme Krperschaft. Innere Spannungen sind nicht selten der Ausdruck von Interessenskonflikten, die eine effektive Abwickelung der Geschfte
stren knnen. Gleich- gltigkeit von Seiten der Mitglieder den ffentlichen Angelegenheiten gegenber entleert die Mitgliedsversammelung ihres Inhalts und verwandelt sie zu einer bloen Formalitt. Die Folge ist eine
gewhlte Administration und Verlust der Unmittelbarkeit der Mitgliedsbeschlsse.
Gewiss, die Form der 'souvernen Generalversammlung' nderte sich im Laufe der Zeit. Im Wilden Westen bestimmte das Meeting der Einwohner durch Stimmehrheit, ob der Deliquent am
nchsten Baum vor der Town-Hall aufgehngt werden sollte. Die Chawerim der Kibuzim Degania und Kineret verteilten die Arbeit fr den nchsten Tag durch Abstimmung der Mitgliedsversammelung. Demgegenber hrte ich letztlich von
einem Kibuz (oder Moschaw), der berhaupt keine Generalversammelungen mehr abhlt. Es bedarf wohl keiner besonderen Erwhnung, da die wirtshaftliche Situation dort eine solche ist, da die dort Mitglieder keinerlei Forderungen oder
Anliegen an ihre Leitung haben. Man hat mich gebeten, nicht den Namen dieses beneidenswerten Ortes zu nennen...
In Kibuz "Machar hielt man Generalversammelungen ab, whlte die Kibuz-Leitung und die verschiedenen Kommissionen. Die Wahl war fr eine Jahr; nicht immer Mitglieder der Leitung oder
der Kommissionen das Jahr durch. Es gab nicht wenig Interessens-Konflikte zwischen den verschieden Gremien und der Leitung und nicht selten sah sich der eine oder der andere, oder auch alle, gezwungen das Amt niederzulegen,
auerstande die obliegende Pflichten zu er- fllen. Die berragende Figur in dem ganzen Spiel war der 'Gisbar' oder finanzieller Ge- schftsfhrer, der im Grunde alles was sich im Kibuz abspielte bestimmte. Er war es,
der ber die Mittel unserer Existenz verfgte. Ihm gegenber stand der 'Sekretr fr innere Angelegenheiten', dem die Sorge fr die tglichen gesellschaftlichen Dinge oblag und oberste Instanz fr die Kommissionen, Erziehung, Wohnung,
Kleidung, Kche, Personalia, Kontrolle - unsere ganze kleine Welt. Aber wie immer - die unterste Reihe der Rechnung war Geld. An der Mauer einer hoffnungslosen finanziellen Wirklichkeit zerschellte manches Ideal einer neuen
Gesellschaftsordung. Die sogenannten Kommissionen konnten somit nicht mehr als das Notwendigste erreichen, keinesfalls ein Budget aufstellen. Es gab ja keine Wirtschaft auf Grund deren Einnahmen man disponieren konnte. Die
Wohnungskommission konnte keine Wohnungen bauen; sie konnte nur auf unvorher gesehene Flle vertrsten, dank deren ein Zimmer frei wurrde - hnlich wie einer heutzutage auf einen Herztransplant wartet. So war es mit Kleidung und
Schuhen und so das Kopfzerbrechen der 'Gesundtheitskommission', wenn ein Krankheitsfall Ausgaben ber die Versicherung der Krankenkasse notwenig machte (und war auch nicht immer sicher, da der 'Gisbar' die monatlichen Beitrge an
die Kupat Cholim pnktlich zahlte). Besonderes Kopfzerbrechen verursachten Schwangerschaften.
Im Gegensatz zum 'Schomer Haza'ir' mischte sich die Bewegung des 'Kibuz Hame'uchad' nicht in die Familienplanung ein. Der 'Kibuz Ha'arzi' des 'Haschomer Haza'ir', wie sich diese
Kibuz-Strmung nannte, vertat grtmgliche 'effiency' auch auf dem Gebiet der Eugenie und wollte die Entwickelung der Erziehungsinstitutionen (Kinderhuser, Schulen) einer genauen Planung unterworfen sehen. Und das nicht nur
betreffend der Geburtsrate sondern auch dem Geburtenzeitpunkt. Die Gruppen der Babies im Suglingshaus sollten sich sofort auffllen und nicht whrend eines lngerem Zeitraumes. Innerhalb der verschieden Altersstufen sollten keine
groen Alterunterschiede bestehen - und das auf Grund sorgfltiger Planung, den Bedrfnissen des Kibuz entsprechend. Mit anderen Worten, einer der Faktoren in diesem Plan, neben einer Reihe anderer, die Eltern nhmlich, waren
letzten Endes die allein Verantwortlichen zu seiner Erfllung. Ein ideologisches Ziel ohne jeden Tadel - ich weiss nur nicht, ob sich irgend ein Kibuz darin versucht hat. Laut Sekretiats-Beschlu hin schwanger zu werden gem dem
Arbeitsplan einer Brutanstalt - ich glaube kaum da sogar in den 40iger Jahren jemand darauf eingegangen wre. Etwas hatte die 'effiency' im Kleinkinderhaus dennoch erreicht, wie man mir erzhlte. In einem der Kibuzim (wo sonst, wenn
nicht im 'Haschomer Haza'ir) saen die Kleinen am Morgen, in einer Reihe ausgerichtet, auf ihren Tpfen, jedes ein Stck Brot in der Hand, zwei Durchfhrungen in einem Arbeitsgang - Time is Money,
auch in sozialistischer Planwirtschaft.
Wie gesagt, der 'Kibuz Hame'uhad' hatte keinerlei Bestrebungen sich in das Privatleben seiner Mitglieder derartig weitgehend einzumischen und zog es vor, der Natur ihren Lauf zu
lassen - wenn auch nicht ganz... Niemand plante Geburten, man erwartete aber von den Chawerim, der ungeschriebenen Regel nach sich auf diesem Gebiet einzuschrnken. Jedes Kind, das zur Welt kam, war fr den Kibuz eine schwere
Belastung. Daher war jede Schwangerschaft, auch die erste einer jungen Frau, von Schuldgefhlen ihrer Umgebung ge- genber begleitet, als ob hier ein Unrecht geschhe: man zwingt der Allgemeinheit wider ihren Willen neue
Ausgaben auf. Nicht selten konnte man in Gesprchen heraushren, die Geburtsziffern belasten vor allem die Ledigen.
Alles hat aber seine zwei Seiten, und die zweite Seite der ganzen Angelegenheit war, da nicht jede junge Mutter durchaus bereit war, ihr Neugeborenes so ohne weiteres dem
Kinderhaus anzuvertrauen. Nicht ganz grundlos: in vielen Kibuzim, besonders in den lteren, war des Regime in den Suglingshusern ein uerst strenges. Die alt eingesessenen Pflegerinnen dort htten es am liebsten gesehen, wenn es zu
den Babies, die ihnen bergeben wurden, berhaupt keine Mtter da gewesen wren. Mtter waren unbequem und strten die laufenden Arbeiten. Sie steckten ihre Kpfe mehrmals am Tage herein und bten, Gott behte, sogar Kritik. Wollen das
Baby vielleicht baden und wechseln. Im Wege sein. Sollen die Mtter ruhen gehen, wer braucht sie berhaupt.
Viele der jungen Mtter ihrerseits waren von Natur aus mitrauisch. Sie waren nicht so ohne weiteres bereit der alterfahrenen Pflegerin einfach nachzugeben. Ein Beispiel dazu war
Kibuz 'Ga'aton', ein junger Kibuz, der sich, zeitweilig natrlich, in Naharia in einer Reihe Barakken und leer stehenden Hhnerstllen niedergelassen hatte. Immer wieder verschob sich dort die Erffenung eines Kinderhauses, da die
jeweils frischbebackene Mutter ihr Neugeborenes um keinen Preis 'zur zentralen Pflege' bergeben wollte. Als Konsquent verlies-sen die Jungen Paare, eines nach den anderen, den Kibuz und es ist durchaus nicht sicher, da sie bei den
Hungerlhnen, denn was anderes erwartete sie schon 'drauen' als 'selbststndige' Arbeiter, ihr Kind besser aufgezogen htten. (Ga'aton ist heute Ne'ot Modekhai im unteren Galil). Noch kurz vor Beginn des Krieges 1947/8 rief man Nanni
aus Gvaram in den Kibuz 'Rivivim', damals noch 'Bir Asludge', sdlich von Be'er Scheva, um das Suglingshaus zu organisieren und einigen revoltierenden Mttern die Lehre der Gemeinschaftserziehung einzu-bluen.
Nach alledem war das Erziehungssystem im Kibuz Hame'uchad gar nicht so einheitlich. 'Ejn Charod' z.B. hatte ein Suglingshaus, darber hinaus aber logierten die Kinder bis zum Alter
von 12 Jahren bei ihren Eltern (schon in den dreissiger Jahren), aus rein technischen Grnden, wie mit jemand erklrte. Die groe nderung kam erst nach der Spaltung des Kibuz Hame'uchad Mitte der 50iger Jahre. Ich weiss nicht, ob
auch die Suglingshuser davon betroffen wurden. Fr die junge Mutter war es bestimmt bequemer ihr Kind bei sich im Zimmer (oder Wohnung) zu haben um nicht bei Nacht und Regen zum Stillen ins Suglingshaus zu laufen. Und alles alles
brige? Nun, jedes Ding hat zwei Seiten, seine Vor- und seine Nachteile. Die Gemeinschaftserziehung beschftigt seit eh und je die Psychologen, in der ganzen westlichen Welt brigens; zu welchen Schluss sie bis dato gelangt sind
weiss ich nicht.