Benjamin Radchewski
Die ersten Jahre Kibuz "Machar"
Am 12. August 1939, in den frhen Morgenstunden, kamen wir in Kibuz "Machar" an. Hinter uns lag eine Nacht voller Aufregungen und Spannungen, als unser gutes Schiff, die "Dora" nach einer Fahrt von einem Monat uns von Amsterdam an die rettenden Gestade Erez Jisraels brachte. Im Schutz der Dunkelheit gelangten wir durch Dnen und Pardessim nach Ra'ana und von dort im Leiterwagen nach Kibuz "Machar" in Kfar Saba, ein Kibuz zugehrig der Dachorganisation des 'Kibuz hame'uchad'. "Machar" fand seine zeitweilige Unterkunft in einem 'Lager' der Jewish Agency, das vorher vom Kibuz "Ramat Hakowesch" benutzt wurde, der aber inzwischen seine feste Ansiedlung ausserhalb Kfar Sabas gefunden hatte. Zeitweilig sage ich, denn auch Kibuz "Machar" hoffte in nicht zu ferner Zukunft seine feste Ansiedlung zu finden - wenn auch diese Zukunft noch recht im Nebel lag.
Camp "Hakowesch", wie man den Platz vorerst nannte, lag am Rande Kfar Sabas, inmitten Pardessim (Orangengrten). Nur ein Sandweg fhrte dahin. Es war ein Kibuz-Camp wie alle anderen auch zu jener Zeit im Land: zwei, drei Gebude, Barakken und Zelte; ein Gebude fr Essaal und Kche, ein zweistckiges 'Sochnut-Haus', in den u.a. auch paar zeitweiligen Babies untergebracht waren. Ein weiterer Bau mit der stolzen Inschrift "Muster-Kuhstall", der ein Maultier und eine Kuh beherbergte.Eine der besser erhaltenen Barakken diente als Kinderhaus. Eine zweiteilige Blechhtte war der Duschraum. Rings um den Essaal und deb schwarzen Barakken im Zentrum des Lagers erhellten einige Blumenbeete das etwas dstere Ambiente. Im Grunde war es hier nicht anders als in Hadar, dem vorigen Aufenthalt des Kibuz, den ich voriges Jahr bei meiner Palstina-Reise besucht hatte. Die dstere Umgebung berraschte mich daher wenig. Die Anderen waren mehr von der Armsehligkeit betroffen.
Wie bereits erwhnt, setzte sich die 'Pluga' (so nannten sich die kleinen Kibuzim, bevor sie sich fest ansiedelten) aus zwei Gruppen zusammen: eine Czecho-Slovakische, aus den Karpaten (PKR) stammend, deren Miglieder zumeist Jidisch und Ungarisch sprachen. Der andere Teil deutsche Hachschara, Nicht-Religise und Liberal-Religise des ehem. relig. 'Hechaluz' in Hamburg.
Die Zentrale des Kibuz-Dachverbandes sah sich gezwungen sich mit einem etwas verworrenen messianischen Problem abzugeben: den atheistischen Mitgliedern des Kibuz Hame'uchad in Kibuz "Machar" die religis (wenn auch liberal) angehauchten Chawerim des Hamburger religisen "Hechaluz" auf zu okkulieren. Man htte es vielleicht lieber gesehen, wre diese Gruppe zum 'Misrachi' abgewandert. Die Hamburger aber hatten sich den Kibuz Hme'uchad in den Kopf gesetzt. Nicht so einfach - fr junge Menschen, die eine Ideologie in die Tat umsetzen wollen werden oft Kleinigkeit zu Prinzipien. Es ist schn und gut Toleranz und gegenseitiges Verstndnis zu predigen - Nicht-Religisen aber das Halten des Schabats aufzwingen zu wollen und noch obendrein volles Verstndnis dafr zu fordern, das ist ein Bisschen zu viel verlangt. Kein Wunder also, dass dieser Versuch schief ging. Wenn man berhaupt hier von einem Versuch reden kann anstatt von Kurzsichtigkeit der Zentrale, die bald darauf vom ganzen Projekt ihre Hnde in Unschuld wusch. Die Mehrheit der Religi-sen suchte sich daher bald geignetere Felder zur Verwirklichung ihrer religis-zionistischen Ideen. Einige blieben, deprimiert, verrgert ber die Zeitverschwendung. Eine kleine Jugendalija-Gruppe aus "Jagur", auch Deutsche, fllte die Lcke aus. Dann erschienen die 'Czechen" und die "Hollnder', wir. Keiner versprach uns ein Schlaraffenland.
Die 'alteingesessenen' Mitglieder des Kibuz "Machar", Deutsche wie Czechen, waren etwas lter als wir, meist schon beruflich ttig vor ihrer Alija, verheiratet und Eltern eines Kindes. Auf ihren Schultern ruhte vor allem die Verantwortung und Sorge fr das tglichr Auskommen, viel mehr als die Jungen, Unverheirateten, die im Grunde nichts an Ort und Stelle band und die jederzeit ihr Pckchen und den Wanderstab in die Hand nehmen konnten. Auch die Jugendgruppe aus "Jagur" war schon keine 'Jugend' mehr; auch unter ihnen waren schon Paare.
Zur moralischen Untersttzung sandte uns die Zentrale einen jungen Mann, Chawer 'Giv'at Brenner' und ehemaligen Leipziger, Zvi Dorman mit Namen, als 'Politruk', wie man in Russland damals sagte, zur ideologischen Strkung. Was er eigentlich zu tun hatte war mir nicht ganz klar. Seine Ttigkeit beschrnkte sich auf den Flirt mit den Mdels und einigen Vortrgen ueber das Wesen des Kibuz'. Er war dies der Stellung seines berhmten Bruders Menachem schuldig, Kibuz Ideologe der ersten Reihe, dessen Artikel jeden Monat im 'monthly review' der Zentrale zu lesen waren. Kibuz "Machar" besass keine Leute jenes Kalibers, und wenn es solche gegeben htte, sie traten jedenfalls nicht in Erscheinung. In Kibuz "Machar" herrschte das 'jekische" (deutsche) Element - ein Manko fr jeden, der politische Ambitionen zu hegen beliebte. Wie nicht wenige 'Jekkes' so hatten auch die Leute in Kibuz "Machar" (sp-ter 'Gvaram') eine Aversion gegen politischen Parolen, hinter denen nichts steht - sicher kein Rezept fr eine politische Laufbahn.
Die Moschawa Kfar Saba war damals nicht unhnlich dem movie-set eines holliwoodischen 'Western'. Eine schmale asphaltierte Strasse mit breiten Sandwegen; zu beiden Seiten ein oder zweistckige Huser, beschatten von alten Eukalyptusbumen. Kleine Ldchen oder auch nur Verkaufsstnde. Das obligatorische Schild "SALOON" war zwar nicht gerade zu finden, an Stelle dessen aber einige Kioske, die 'Gasos' anboten und auch ein Caf, oder was als solches gelten konnte, schienen durchaus authentisch im set. Dazu kamen, um das Bild vollstndig zu machen, noch in den Boden geschlagene Pfhle zum Anbinden der Pferde. Auch die Leute, die sich auf der 'Hauptstrae' bewegten, passten absolut ins Bild. Die 'Unruhen' von 1936 waren lngst nicht abgeflaut und die Mitglieder der verschiedenen 'Hilfspolizei' Einheiten, in allen mglichen Uniformen und Bewaffnung flanierten durch die Strasse.
Ausser der britischen Polizei, die man kaum zu Gesicht bekam, existierten alle mgliche 'paramilitrischen' Einheiten. Einen nicht-britischen Polizist nannte man 'Ghafir', sein Zeichen war der 'Kolpak', die Lammfellmtze, noch von der Zeit der Trken her. Mit Ausbruch der Unruhen 1936 mobilisierten die Englnder jdische 'Hilfspolizei', mit dem diplomatischen Namen: 'Temporary Auxiliary Settlement Police'. "Kofer Hajischuw", ein Spendenfond der Jewish Agency (unserer Regierung in spe), stellte, mit Untersttzung der Englnder, weitere Polizei-Einheiten auf. Diese trugen grosse Schlapphte, Texas-Style, Gewehre, oder zur Ver-strkung der usseren Erscheinung schwere "Mauser" in Holzfuturalen. Ein echtes "shoot out", so wie es das Scenario verlangte, gab es trotz alle dem nicht; die Kioske verkauftenhchsten 'Gasos' und keinen Whisky.. Die Spannungen, die zweifellos bestanden, waren politischen Charakters.
Auch der Handel passte ins allgemeine Bild: einige Verkaufsstnde fr Obst und Gemse, zwei oder drei Ldchen fr Kolonialwaren oder 'Galantrie'. Na gut, ich bertreibe hier vielleicht etwas, aber viel war trotz alledem nicht vorhanden. Die Einwohner Kfar Sabas waren Landwirte - und 'Pardessanten', Ladeninhaber und Handwerker, Subaltern-Beamte und Arbeitsleiter - und ein grosses Heer von Landarbeitern im Tagelohn.
Feste Arbeit hatten die Wenigsten. Im 'Arbeitsamt' des Arbeiterrates wurde die Arbeit jeden Abend an die Arbeitssuchenden gem den Forderungen der Pardess-Verwalter verteilt. Whrendend der Sommersaison, in der die laufenden Instandhaltungsarbeiten zu erleden waren, Bewsserung, Jten usw., war die Anzahl der Beschftigten mehr oder weniger konstant. Im Winter, whrend der Pflcksaison war es schon schwieriger; der 'Cytrus Board', den die Englnder errichtet hatten und der die Exportquoten der einzelen Produzenten regulierte, und natrlich auch das Wetter, waren nie im Voraus zu berechnen. Auch im 'Arbeitsamt' wickelte sich nicht alles genau nach dem Buche ab und die Gewerkschaft beherrschte keineswegs den Arbeitsmarkt, soweit es die Cytrus-Wirtschaft anging. Die Forderung nach jdischer Arbeit einerseits und das Verlangen nach 'freier Markwirtschaft' (d.h. arabische Arbeit zum halben Preis) kamen zum Zusammensto in den Orengenhainen des Scharon und waren die politische Streifrage die die zionistische Bewegung damals erschtterten. Ihren Niederschlag mag man in Pamphleten und Druckschriften jener Zeit finden.
Denn in den Siedlungen des Scharon war der hauptschliche Broterwerb in der Zytruswirtschaft. Die Pflanzungen waren zum berwiegenden Teil im Privatbesitz (wenn auch meistens in Bearbeitungs- und auch Vermarktungsverbnden organisiert). Die Orangenpflanzungen ernhrten ihre Besitzer nicht schlecht. Die Bden waren zum groen Teil in den 20iger Jahren bepflanzt worden, die Sorte "Schamutti", in Europa als die "Jaffa Orange" bekannt. Auch Arbeiter erwarben ihre Orangen-Parzellen, zwischen 10 und 15 Dunam, im Rahmen eines Sparplans (hnlich dem Wohnungs-Sparprogamm). Es gab auch Unternehmer, die solche Parzellen bearbeiteten, wenn der Besitzer selbst nicht dazu im Stande war.
Ernhrte die Zytruswirtschaft ihre Pflanzer, so war sie sicher einzige Erwerbsquelle einer groen Menge Arbeitern, u.a. vieler Neueinwanderer. Im Vergleich zu heute war die Arbeit in en Orangengrten damals schlechthin Sysiphus-Arbeit. Die Bume waren 4 mal 4 Meter gepflanzt. War die Pflanzung ursprnglich in arabischen Hnden (es wurden mitunter auch Pflanzungen von Arabern erworben) und war sie schon einige Jahrzehnte alt (man sagt, ein Pardess von 50 Jahren sei auf der Hhe seiner Fruchtbarkeit und Qualtt), so waren die Baumkronen ineinander gewachsen und der ganze Hain ein Gestrpp. Achtete der Besitzer nicht auf sorgsames und stndiges Entfernen der trockenen Zweige, dann ging man am Ende der Arbeit mit zerrissenen Kleidern nach Hause. Man kannte keine mechanische Bearbeitung der Pflanzungen. Das Arbeitsgert war die Turiah. Mit ihrer Hilfe jtete man und grub dieBewsserungsgruben rings um die Bume. Das Wasser gelangte vom Brunnenhaus mittels Diesel- oder elektrischer Pumpe in Beton-Kanlen bis an die Pflanzung. Von dort mute man den Wasserstrom in die Gruben leiten, auf Gedeih und Verderb - wenn irgend ein Wall durchbrach konnte man nicht rennen und das Wasser abstellen.
Mit der Turia umzugehen ist nicht schwierig, man mu nut wissen wie, sonst bleibt nach einer viertel Stunde ohne Krfte. Vielerorts stellte man die Arbeiter in einer Reihe auf, einer neben dem Anderen, und damit waren alle Bedingungen zu einem irrsinnigen Wetlauf geschaffen, zu grter Befriedigung des Vorarbeiters. Fr den Neueinwanderer, den neuen Oleh, war dies eine bittere Feuertaufe. Die Plantagenaufseher liebten es nicht Neueinwanderer einzustellen und nicht selten taten sie alles um diesen ein Bein zu stellen. Das Arbeitsamt aber bestand darauf und kontrollierte auch soweit als mglich die Beschftigung von Olim in den Pardessim und sorgte auch fr entsprechende Instuktion am Arbeitsplatz. Ich entsinne mich noch wie Ssurkis, Vorsitzender des Arbeitsamtes, auf einem Esel reitend die Pardessim besuchte und die 'Neuen' anlernte und ermutigte... Die Technik war einfach: "a Klapp - a Zieh", leicht gesagt unter dem Jungel der niederigen Baumkronen und der glhenden Hitze und dem Geschrei des Aufsehers: "los... los!" Eine Pferdearbeit. Aber alle 45 Minuten gab es eine viertel Stunde Pause und Wasser wurde an Ort und Stelle gebracht. Diese Bedingungen wurden berall eingehalten.
Das Pflcken der Apfelsinen whrend der Wintersaison war nicht leichter. Die Arbeit war so eingeteilt: die Mdels pflckten unten, die Mnner auf Leitern. Jeder bekam einen Pack Nummern, die er in seine volle Kiste zu legen hatte, zur Kontrolle. Die vollen Kisten wurden auf Tragbaren zwischen den engen Bumen auf den Weg herausgeschleppt und von dort mit Feldbahn oder Wagen ins Packhaus am Eingang zur Plantage gefahren. Nicht berall bemhte man sich, den Boden innerhalb der Pflanzung zu Beginn der Saison zu planieren, was das Schleppen der Tragbaren nicht besonders erleichterte. Da der Aufseher in dem Jungel seine Arbeiter kaum sehen konnte, kam einer auf eine brillante Idee: damit nicht jemand gottbehte unter einem Baum einschlief befahl er: "singen!". Und so erscholl aus dem Gewirr der Bume der Gesang der Vlker Europas, Deutsch, Russisch, Ungarisch und die Lieder Erez Jisraels - ganz wie der Wolga-Schiffer.
Auch gepackt wurde die Frucht mit der Hand. Frauen sortierten und wickelten in Papier ein, Mnner reichten die Krbe mit Frucht zu und sorgte fr die das Auladen der vollen Kisten auf die Lastwagen auf dem Wege zum Hafen. Im Packhaus waren die Lhne hher. Wer heute mal Gelegenheit hat, die Riesen-Packhuser der Vermarktungsgesellschften anzushen (voll mechanisiert und Cumputer gesteuert) wird kaum noch an das erinnert werde, wie damals Juden, wie auch Araber packten.
Troz alledem lt sich nicht sagen, da ein festes Arbeitsverhltnis nicht existierte; Kibuz "Machar" hatte eine ganze Reihe fester Arbeitspltze und hatte auch eine ganze Pflanzung zur Bearbeitung bernommen, nhmlich "Meschek Ha'ozar", weit draussen, dich neben dem feindlichen arabischen Kfrar Saba. Dorthin gelangte man nur im Panzerwagen und mit bewaffneter Begleitung; nach Hause kam man nur ber das Wochenende.
Man wird sicher fragen, wie hoch der Lohn eines Arbeiter im Zytrus-Sektor damals war. Bei Kriegsausbruch war der Kurs des P, des palstinensischen Pfundes (pari mehr oder weniger dem Sterling) $2.86. Offiziell war das P in 1000 Mil eingeteilt. Im Voksmund aber waren 10 Mil = 1 Piaster' oder einfacher, 1 Grusch (der mit dem berhmten Loch in der Mitte). 20 Mil nannt man 1 Franc, 50 Mil = 1 Shilling (natrlich, der 20igste Teil eines Pfundes). Der Tageslohn eines Landarbeiter betrug 'amtlich' 20 Grusch; zu Zeiten von Arbeitslosigkeit war er niederiger. Frauen zahlte man zwischen 12 und 16 Grusch.
Was konnte man dafr kaufen? Sehr schwer heute Vergleiche zu finden. Die Kaufkraft des Geldes war ungefhr so: fr 1 Mil konnte man 5 Apfelsinen kaufen (wenn berhaupt jemand dafr Geld ausgab bei der Flle von Frucht ringsum). Mittagessen im "Arbeiterrestaurant" in Tel-Aviv kostete 5 Grusch (1 Shilling). Fahrt mit dem Autobus nach Tel-Aviv zwei der drei Grusch. Das tgliche Essensbudget pro Person im Kibuz war 26 Mil (lsst sich das heute noch berechnen?) Eine Arbeiterfamilie (Bauarbeiter verdienten mehr) hatte mit vier Pfund im Monat auszukommen. Im Vergleich zu dem Lebensstandart der kleinen Arbeiterkibuzim ging das noch an; die waren noch weit darunter. Nach Eintritt Italiens in den Krieg auf Seiten der Deutschen aber, im Mai 1940, war die Verbindung nach Europa abgeschnitten und die Zytrus-Wirtschaft gelhmt. An Stelle verhltnismssiger wirtschaftlicher Stabilitt trat Arbeitslosigkeit und Ungewissheit. Nicht nur das allein: viele der Pflanzer waren nicht im Stande ihre Plantagen ohne entsprechende laufende Einnahmen whrend der Kriegsjahre zu halten; viele Parzellen wurden verlassen oder ausgerodet. Nur wer ber Reserven verfgte, um die sechs Kriegsjahre zu berbrcken, konnte Stand halten - nur die Groen.
Die kurze Konjunktur, der sich die Juden von Beginn der Dreissig erfreuten, fand ihr jhes Ende mit Ausbruch der Unruhen von 1936. Arbeitslosigkeit trieb die Menschen zur Flucht, zurrck nach Europa, nach Polen - noch 1938 waren die Schiffe voll mit Rckwandern - in den Todt. Eine derartige Situation war nicht dazu angetan, die Spannung zwischen Arbeitssuchenden und Pflanzern zu mildern. Nicht nur wirtschaftliche Interessen waren da im Spiel, die Gegenstze warem im Grunde politisch. Beide Lger waren Kontrahenten innerhalb der zionistischen Bewegung. Wer will, kann das alles in den Geschichtsbchern nachlesen. Gegenber dem Lager der "Chaluzim", die den Sozialismus in die Tat umsetzen wollten, stand das "nationale Lager", das "liberale Wirtschaft" forderte und vor allem das Joch organisierter Arbeit abschtteln wollte, zu Gunsten niederiger Arbeitslhne - kurz, arabischer Arbeit. Araber, vor allem 'Einwanderer' aus dem Hauran, waren bereit fr 10 Grusch Tageslohn zu arbeiten In den Pardessim trieb sie ein Stckchen 'Lakerda', angehngt am lezten Baum der Reihe, als "Preis" fr den der als Erster anlangte. Die jdische Gewerkschaft versuchte, ohne viel Erfolg, die Pflanzer an der Beschftigung arabischer Arbeiter zu hindern. Es kam zu blutigen Zusammensten und Einmischung der britischen Polizei. In Kfar Saba wurde die Schlacht mit Hilfe von Turia-Stielen ausgefochten. Vielleicht findet sich noch irgendwo ein Heftchen mit dem Namen "Kfar Saba" des jdischen Poeten A. Schlonski, einer der Ideologen der Auseinandersetzung. Viele der jdischen Pardess-Besitzer waren alles andere als begeistert von der 'chaluzischen' Alija; sie htten eher eine wirtschaftspolitische Form hnlich den britischen afrikanischen Kolonien vorgezogen, wo der "Native" die Hacke unter der absoluten Herrschaft des weien Mannes schwingt. Diese Polarisierung blieb nicht im Rahmen des Arbeitskonflikt allein. Sie griff im Sommer 1940 auf das Gebiet der 'Security', d.h. aufs quasi militrische ber und entzndete den ganzen Scharon.
"Sicherheit" stand im Mittelpunkt des tglichen Lebens im jdischen Sektor und ihr zentraler Ausdruck war fr uns die "Hagana". Noch als "Alija-Gruppe' in Holland erfuhren wir, da eine Chawera von Kibuz "Machar" von einem Araber erschossen wurde, als sie sea Abends aufs Feld ging um den Wasserhahn zu schliessen. Ihr Begleiter war mit einem illegalen Revolver bewaffnet. Er konnte sie nicht schtzen, wohl aber den Angreifer erschieen. Die Englnder verhafteten ihn unter dem Verdacht, das Mdel umgebracht zu haben, trotzdem die Leiche des Arabers gefunden wurde. Die Sache wurde eingerenkt, wie damals blich, in politischen Korridoren. Zwei Jahre vorher war der Bcker von "Ramat Hakowesch" im Camp erschossen worden. Daher war "Sicherheit" im engsten militrischen Sinn fr uns immer mit Erez Jisrael verbunden. Wir waren kaum eine Woche im Land, so wurden wir in die Reihen der "Hagana" 'eingezogen'. Richtig mit formeller rzticher Untersuchung und Vereidigung (ja, Vereidigung in besonders strenger Form, die die Verpflichtung zur "Hagana" ber die Mitgliedschaft zum Kibuz stellte, zweifellos ein Sentiment, das hier und da im Offizierskorps der "Hagana" herrschte). Instruktoren waren u.a. Angehrige der 'Hilfspolizei', unter ihnen ein 'Jeke' namens Mendelsohn, der sich uns als ehemaligen Feldwebel der deutschen Armee vorstellte - und so benahm er sich auch! Er brllte die 'Rekruten' nach bester preuischer Tradition an. Einen von Kibuz "Machar", etwas linkspotschig, mit einem Kppchen dazu, schrie er an: "Lilienstein, stehen Sie nicht da wie in der Synagoge!" Wie auf einen deutschen Exerziersplatz. Man nahm damals derartiges noch mit Humor hin.
Der Ausbruch des Krieges am 1. September 1939 erschtterte uns, wenngleich er zu erwarten war. Schon unterwegs noch, auf hoher See, hrten wir die Vorgeplnkel in Danzig. Wir, unsere Alija-Gruppe, fhlten uns in letzter Minute gerettet. Viele unser Freunde aber waren zurrck geblieben und warteten auf einen zweiten Transport. Eltern und Schwester wusste ich in Sicherheit in Chile. Wohl sorgte man sich um das Schiksal der Juden Europas; was werden sollte, davon hatte keiner eine Ahnung. Eine unmittelbare Gefhrdung Palstinas, ber dessen Wohl und Wehe England entschied, konnten wir nicht abschtzen.
Nach Kriegsausbruch erhoffte die Jewish Agency eine engere militrischen Zusammenarbeit mit der Mandatsregierung, sei es durch Mobilisierung jdischer Kampfeinheiten im Rahmen der britischen Streitkrfte, sei durch Verstrkung der inneren Sicherheit. Den ersten Schabbat nach Kriegsausbruch erklrte die "Hagana" als allgemeinen Exerziertag (nirgendwo erhoben sich Stimmen, den Schabbat dazu zu bentzen). Auf einem groen freien Feld bei Kfar Saba exezierten also hunderte von Juden im wehrfhigen Alter und auch darber, alle in Khaki (die bliche Arbeitskleidung damals), und Mittags erschien sogar der britische Kommandant der Bezirkspolizei, um die Parade in vollster Befriedigung abzunehmen. Nur da His Majesty's Government in London andere Erwgungen vorzog. Die Sorge im Foreign Office war vor allem, die Ruhe der Araber whrend der Kriegsdauer zu erkaufen. Die Antwort war das Weibuch.
Die Wellen der Entrstung im jdischen Sektor schlugen hoch. Riesendemonstrationen gegen das Weibuch fanden berall statt, auch in Kfar Saba. Jeder hatte einen Turia-Stiel in der Hand und einen Stein in der Tasche, sollten die Englnder es wagen, die Demonstration stren zu wollen (die Englnder waren anderweitig beschftigt). Die militrische Frage ging also dahin zurrck, woher sie gekommen war, nhmlich Untergrund. Die bungen fanden am Abend in versteckten Barakken statt oder in Pardessim. Man drillte uns nach Handbchern zur Ausbildung von Eingeborenen in den Kolonien. Wie dem auch sei - die verschieden Bennungen der Gewehrteile weiss ich noch; schieen lernte ich nicht damit. Am Ende der 'Rekrutenzeit' fand ein groer Tagesmarsch statt, mitten durch arabische Drfer und das arabische Stdtchen Kalkilja (Lerne den Feind kennen!). Der Marsch endete im benachbarten Ramat Hakowesch und mit einer zndenden Rede Bankovers, der bei dieser Gelegenheit 'amtlich' seinen Eintritt in die britische Armee ankndete. Dr. von Weisel, seines Zeichens ehemalig kaiserlich sterreichischer Offizier (z.Zt. Leiter des Tuberkulosenheims in Gedera), erklrte uns, auf Hochdeutsch und mit Hilfe eines Dolmetschers, warum ein Sieg der Alliierten erzgewiss ist.
Innerhalb des 'Jischuw' (d.h. im jdischen Sektor) wuchsen die politischen Spannungen. Der Gegesatz zwischen den Revisionisten und dem Arbeiterlager verschrfte sich und es kam immer hufiger zu Zusammensten. Die Revisionisten 'pfiffen auf die 'organisierte Arbeit' der Histadrut und die Abkommen mit den Pflanzern. Sie wollten vor allem der Vorherrschaft der Histadrut und enstehende Streiks brechen. Auch in Fragen der inneren Sicherheit. Die Araber ihrerseits hatten mit Kriegsausbruch die Gewaltttigkeiten gegen die Juden eingestellt, ein Interims-Abkommen mit den Englndern. Die Revisionisten sahen in dieser 'Waffenruhe' Gelegenheit zur Bekmpfung der "Hagana" (die wie Histadrut und Jewish Agency Ben-Gurion unterstand). Waffenlager wurden ausgeraubt und bei einem Zusammensto wurde ein Mitglied des "Ezel" in Herzlija erschossen. Die "Hagana erklrte Curfew: das Haus des Brgermeisters in Kfar Saba (Mapai) wurde bewacht und ich verbrachte eine Anzahl Nchte vor seiner Tr (in seinem Auto), bewaffnet mit einem Turia-Stiel. Wir unsererseits entwendeten, unter Indianergeheul, den Revisionisten ein 'Waffenlager' oder das, was man sich damals unter Waffenlager vorstellte. Was war schon gro an den paar Schrotspritzen dran?
ber unsere Gesundteit wachte die "Kupat Cholim". Gleich nach unserer Ankunft trugen wir uns als Mitglieder ein. Unsere 'Krankheiten' als Neueinwanderer waren, wie bei allen, Furunkel, einige bekamen Malaria oder Typhus, damals noch weit verbreitet. Ich erinnere mich noch an Dr. Borodiainski (spter Dr. Bar Dajan und Bezirksarzt) wie er mit 'Horse and Buggy' in Kfar Saba von Tr zu Tr fuhr. Ihn und seine Frau (auch sie rztin, Dr. Sussman; wie blich bei der russischen Intelligentsia bestand sie auf ihrem Mdchennamen). Beide warmherzig und 'down to earth'. Als damals ein Gercht in der Moschawa umging, die Quelle des Typhus seien die Falaffel und der Gasos vom Kiosk, ging Borodiainski selbst, am hellerlichten Tage dorthin und ass mit Gusto ein Falaffel, um den Unsinn zu widerlegen. Zum Facharzt wurde man in die Zentral-Klinik der Kupat Cholim, Zamenhoff Strae, Tel-Aviv berwiesen. Wie heute noch, so fuhr auch damals schon Autobus 5 bis 'Zamenhoff' und gemeint war natrlich die Klinik. Zyniker behaupten, die Einzige, die das Gedenken an den Erfinder des Esparanto aufrecht erhlt, sei eben die Kupat Cholim...
Wir waren auch, soweit unsere sprlichen Mittel dazu berhaupt langten, an dem Kultuleben Kfar Sabas beteiligt. Politisch nahm man natrlich Teil im Arbeiter(innen)rat, zusammen mit noch Kibuzim, die damals zeitweilig in Kfar Saba waren, u.a. "Manoff", heute "Dan" an der nrdlichen Grenze.
Ich entsinne mich noch an meine erste Theaterauffhrung im Land, einer Auffhrung der heute nicht mehr bestehenden Bhne des "Ohel". Viel 'Kultur' nahmen wir nicht in uns auf, wie gesagt, Geld hatten wir nicht, aber auch kaum Kraft nach einem Tag Zwangsarbeit im Pardess. Sogar das Lesen im eigenen Zelt war beschrnkt, aus Mangel an Petroleum. Aber eine kulturelle Ablenkung fanden wir, fr damalige Zeiten absolut ungewhnlich: ein Konzert mit Erluterungen eines Musikologen, ein Dr. Steinitz in Ramot Haschawim. Ramot Haschawim war das Dorf der 'Eierjekes', deutsche Einwanderer, unter ihnen auch Akademiker, die daselbst eine Geflgelwirtschaft etabliert hatten. Leben konnte sie damals nicht davon, und so suchte sich halt jeder eine Nebeneinnahme. Daher stand am Eingang des Husschens des Herrn Dr. Steinitz ein Stuhl mit einem Teller, auf den jeder einen oder zwei Grusch legte (wer ihn hatte) und whrend zweier Stunden konnte man ein Feuerwerk von Recitals auf dem Bechsteinflgel geniessen und den Vortrag eines hervorragenden Fachmanns. Und das, wenn auch nur fr kurze Zeit, im europisch kultivierten Interrieur einer schnen Wohnung - fr uns Zeltbewohner kein geringeres Erlebnis als die Musik selbst.
Weltanschauliche Unterschiede zwischen der deutschen und der czechischem Alija gab es nicht - wohl aber Zusammenste zweier sich fremden Kulturen. Unter normalen Umstnden und wirtschaftlichen Bedingungen wren Gegenstze garnicht in Erscheinung getreten. In einer Situation, in der die bloe Existenz absolut nicht gesichert schien, soziologische und kulturelle Unterschieden fhrten zu Frustrierung, fr die es keine Erklrung gab. Vielleicht war es die Sehsucht nach einem gesicherten und geordnetem Leben, die jeder von Haus mit sich brachte. Die Deutschen bemhten sich, rationell zu sein, bei den Karpatho-Russen ging das nicht so glatt. In so 'nebenschlichen' Sachen wie z.B. Essen konnten sie weniger Selbstbeherrschung an den Tag legen, sei es auch nur 'um des erhabenen Zieles willen'. Sie hatten wenig Verstndnis dafr zu hungern und intellektuelle Erwgungen ber materielle zu stellen.
Diese beiden Teile setzten Kibuz "Machar" zusammen. Nicht da intelletuelle Unterschiede zwischen beiden Gruppen bestanden htten; ein Teil der ehem. Leute aus P.K.R. stammten allerdings aus gottverlassenen Drfern, die berdies im Laufe der modernen Geschichte einige Male ihre Souvernitt wechelten, so da die Kinder zu Hause Jiddisch, un der Schule Czechisch und auf der Stae Ungarisch sprachen. Die Juden in Munkacz aber unterhielten ein Gymnasium, dessen Unterrichtssprache Hebrisch war.
Es gab schon Unterschiede in der Mentalitt beider Gruppen. Die aus der P.K.R. stammenden wuchsen als Kinder in einer chassidischen Atmosphre auf, die aus Deutschland kamen grtenteils aus nicht-religisen Husern. Fr sie war diese Kultur fremd, sie kannten sie hchstens aus der Literatur. Unter den Czechen ragte besonders Joseph Ja'akobowitsch hervor, der die Jeschiwa absolviert hatte und sogar Rabinats-Kandidat war; er hngte die Theologie an den Nagel und wandte sich der Chaluzbewegung zu. Er war gebildet, aber sein Verstndnis fr die Umwelt ging nicht ber den engen kulturellen Horizont hinaus, in dem er aufgewachsen. Ihm gegenber stand Chajim Neuburger aus den 'jekischen' Lager, seiner Zeit auch er Rabiner in Danzig, Intellektueller und Reform-Jude, Welten umschlingend, aber bar jenes Stckchen festen Bodens unter den Fen, da man braucht um nicht die Balanze zu verlieren.
Die Meisten der Czechen, hauptschlich die in den Drfern aufgewachsenen, waren gesund und krftig gebaut, ausgezeichnete Arbeiter und in allen Pardessim gesucht. Das festigte ihren Status in der Pluga, deren Unterhalt vor allem auf physischer Arbeit begrndet war. In der allgemeinen gesellschaftlichen Hierarchie aber gab das deutsche Element den Ton an - ein Grund fr Missverstndnisse und Spannungen. Schuld an allem war natrlich unsere verzweifelte wirtschaftlich Lage, die sich mit Eintritt Italiens in den Krieg noch verschrtfte. Der Zytrus-Export war vllig unterbunden und Arbeitslosigkeit erschreckend. Der Kibuz konnte kaum noch die minimalsten Bedrfnisse decken. Kein Petroleum fr die Zimmer, an die 26 Mil pro Kopf war schon lange nicht mwhr zu denken und geflickte Hosen waren die Mode des Tages.
Ein jeder reagierten auf die verzweifelte Situation entsprechen Temperament und per-snlichem Niveau. Die mehr erzogenen zeigten nie nach Aussen hin, da auch sie litten; nach heutigen Begriffen entsprach unsere Lage dem was man heute weit unter der 'Poverty Line' nennt. Die Einfacherern unter uns begehrten auf. Zwei oder drei rannten zur britischen Armee: "Dort haben wir weigstens was zu essen". Mit den britischen Streitkrften kaen sie nach Creta. Einer fiel, zwei gerieten in deutsche Gefangenschaft und verbrachten die nchsten sechs Jahre in einem Stalag, sicher nicht mit Gourmet-Kche.
Ganze Seiten liessen sich schreiben Uber das Thema 'Essen' in den Kibuzim und Lebenststandart der Mitglieder berhaupt. Die Kche von Kibuz "Machar" zu mindestens zeichnete sich unter die vielen Arbeiter-Kibuzim in den Moschawot aus. Die Medaille verdienen hier die czechischen Mdels: sie verstanden beste Tradition ungarischer Kche mit Sparen und Improvisation, die sie aus ihren Drfern in der PKR mitgbracht hatten, zu verbinden. Aus den 26 Mil des Budgets holten sie das Maximum heraus. In den meisten Kibuzim war die Situation auf diesem Gebiet alles andere als zufriedenstellend und oft nicht zu recht. Die Kchinen polnische Herkunft verstanden es nicht unter Bedingungen von Be- schrnkungen, und vor allem ohne Fleisch auszukommen. Ihnen zu Hilfe kam dann auch eine Ideologie, die erlaubte, vor allem in Schichten der 'Intelligenz' im Essen etwas neben-schliches, untergeordnetes zu sehen, der Aufmerksamkeit des 'Denkers' unwrdig (S. Maliz -"Kreise" - Publ. Hak. Ham. 1942). Auch Kibuzim mit einer entwickelten Landwirtschaft sorgten nicht immer fr ein Angebot von Produkten fr ihre Kche, wenn die Kchinen dies nicht ausnutzen konnten oder wollten. Den Rekord fr ungeniesbares Essen hielt zweifellos jahrelang Meschek "Jagur" Man begrndete das, mit gewisser Berechtigung, da Jagur das Ausflugsziel des benachbarten Haifa war; hauptschlich an Freitagabenden. Wer wollte kam uns setzte sich im Essaal dierekt an einen Tisch - vom original-kibuzischen Gesichtspunkten aus gesehen vielleicht korrekt, aber sicherlich nicht von wirtschaftlichen. Der Kompromis war Einschrnkung des sowieso mageren Mens. Was die Haifaer bewegte den Freitagabend durchaus im berfllten Essaal von Jagur zu verbringen, an ungewaschenen Holztischen und Blechtellern mit Wassersuppe - das will bis heute nicht in den Kopf, zumal ein grosser Teil der Arbeiter gar keine Sympathie fr die Kibuzbewegung hegte.
Den Standart des Wohnraums bestimmte die Mitgliedszeit im Kibuz. Man unterschied zwischen Zimmer im Haus, Barakke oder Zelt. Unverheiratete wohnten zu zweit oder zu dritt. Junge Paare hatten zu warten, bis fr sie etwas frei wurde. In Kibuzim wie "Machar", im zeitweilligen Campus, gab es nur Barakken und Zelte. Aber auch in den bereits angesiedelten Kibuzim war der Bau von Wohnhusern in den dreissiger Jahren erst in den Anfngen. Die Zimmer in den Barakken waren fr gewhnlich nicht grer als 33 Meter. Von 'Ruhe' war nicht zu reden, die dnnen Holzwnde einer Barakke mit vier oder fnf Zimmern lieen gar keine Stille zu. Abgeschlossener war schon das Zelt. Ein Zelt aber wurde nicht als feste Wohnung angesehen; die Notwendigkeit Arbeit auerhalb zu suchen, bentigte manchmal auch die Mitnahme eines Zelts. Nicht selten fand sich so ein Zeltbewohner des Morgens unter freiem Himmel - ein Team das in die Ferne fuhr hatte ihm das Zelt ber dem Kopf abgebrochen...
Die Existenz des Kibuz hing zeitweise gnzlich von der Arbeit auerhalb ab. "Machar" hatte immer einige feste Arbeitspltze drauen: in S'dom am Toten Meer, im Kali-Werk` die Kibuzzentrale unterhielt dort ein Campus mit Kche und Behausung (Zelten) fr eine groe Anzahl Leuten aus dem ganzen Land. Dann gab es den Hafen und den Bahnhof von Tel-Aviv, wo Transportgut ein- und auszuladen war. Auch hier arbeiteten Angehrige des Kibuz Hame'uchad aus dem ganzen Land. Dorthin, und an noch alle mglichen Pltze sandte die Zentrale ihre Mitglieder, in dem Mae wie berhaupt Arbeit war, unter katastrophalen Lebensbedingungen und Lohn, der nicht immer die Unkosten von Reise und Unterhalt berechtigte. Manchmal bernahm man eine Arbeit im 'Akkord' und Minimallohn, um die Araber von dort zu verdrngen. Doch bereits 1941 beschlo die Zentrale die Arbeitspltze im Hafen und Bahnhof von Tel-Aviv aufzugeben. Der Grund: fortschreitende Demoralisierung der dort arbeiten Kibuzmitglieder. Whrend der Ladearbeiten lie sich mancher zum Stehlen ver- fhren. Diebstahl war allgemein blich dort, quasi Kavaliersdelikt. Die niederigen Gehlter von Leitern und Beamten verfhrte zum 'Ausgleich' durch Entwendung verschiedener Waren aus 'zufllig' zerbrochenen Kisten. Auch mancher unserer Chawerim wollt da nicht zurck stehen - sie prahlten zu Hause mit ihren 'Erfolgen': wie man eine Kiste genau auf die Kante fallen lsst, damit sie richtig aufspringt. Natrlich erwarteten einen auch Enttuschungen: eine nakte Frau auf dem der Verpackung wies nicht immer auf den Inhalt hin; manchmal waren es nur Pistonringe...
Mit der Einschrnkung der Arbeit in den Zytruspflanzungen suchte die Kibuzzentrale Arbeit in anderen Teilen des Landes. Besser fundierte Kibuzim in Moschawot mit einem greren Arbeitsmarkt wurden verpflichtet auf eine gewisse Anzahl Arbeitspltze zu Gunsten der kleineren Plugot. Beni Meharschak, Chawer "Giv'at Haschloscha" hatte damals das Arbeitsdezernat der Zentrale unter sich. Er huldigte einem 'durchgreifenden Aktivismus' (nicht unhnlich Arik Scharon unserer Tage) und sah im Arbeitsmark des ganzen Landes seine per-snlichen Jagdgrnde.
Denn inzwischen war etwas geschehen: Rommel hatte sich in Nord-Afrika festgesetzt und die Englnder begannen ihrerseit groe Streitkrfte zusammen zu ziehen. Nicht gerade aus England, sondern vor allem aus Australien und Sd-Afrika. Man begann riesige Militrlger zu bauen, mit Steinhusern und Barakken, Straen und Rollfelder fr Flugpltze. Bauunternehmer im Land, Juden und Araber, bernahmen die Arbeit. Die bedeutesten jdischen Firmen waren damals Solel Bone und Diskin. Fr Arbeitskrfte sorgten die Arbeitsmter, die Kontrolle unterstand der Histadrut. Die Arbeit wurde nach Landesmastab verteilt - arbeitslos waren nicht nur die Kibuzim, weit mehr die groen Stdte.
Fr die Arbeiter errichteten die Baufirmen an den Baupltzen Arbeitslager mit Zelten, grtenteils im Sden des Landes. Anfangs war die Kontrolle nicht all zu scharf und Beni Meharschak versuchte die doppelte Anzahl der ihm (der Kibuzzentrale) zugteilten Arbeits-pltze zu belegen, in der Annahme, da man sich schon irgendwie durchschwindeln kann. Diese Sorte von 'Aktivismus' trug Beni Mharschak zwar Verehrung und Hochachtung der Kibuzzentrale ein, die Histadrut aber verstand keinen Spa und stellte ein Ultimatum: entweder jeder Uberzhlige zurck oder Aussperrung.
Wer Auerhalb arbeitete ohne fest angestellt zu sein, wurde von mal zu mal ausgewechselt. So z.B. in S'dom am Toten Meer. Dort arbeitete man drei Wochen hintereinander und fuhr dann auf eine Woche Urlaub nach Haus. Einer der Grnde dafr war die Verbindung. Von Jerusalem gab es zwar geordnete Autobusverbindung nach Kalia, am nrdlichen Toten Meer. Doch von dort aus nach S'dom, dem Sden, gelangte man nur per Motorschiff der Kali-Gesellschaft, eine Fahrt von neun Stunden. An eine Heimreise bers Wochenende war also nicht zu denken. "Machar" hatte auch zwei bis drei Arbeitspltze in "Bet-Ha'arawa", dicht bei Kalia (und bei Jericho), Akkord-Arbeit, zu Dumping-Lhnen. Jeden Monat wurde man ausgewechselt.
Eine andere Art von Auenarbeit war die sogenannte 'Ausbildung' in den verschiedenen landwirtschaftlichen Betriebszweigen, die "Machar" wahrscheinlich bentigen wrde, sollte man, nach Jahr und Tag, doch einaml angesiedel werden. Es waren da Landbau und Grnfutter, Milchwirtschaft und Geflgelzucht, Obst- und Wein- und Gartenbau. Pltze zur Ausbildung gab es in den alt eingesessenen Kibuzim, die meisten dieser Zweige betrieben. Die Meschakim selbst nutzten die 'Praktikanten' wie heute die 'Voluntairs' von bersee - gegen Tisch und Bett. Zu gleichen Bedingungen nahm man auch 'Assistenten' als 'Stage' auf, Lehrer- und Kinder- grtnerinnen.
Im Sommer 1940 schloss sich Kibuz "Machar" eine (deutsche) Jugendgruppe an, die ihre Lernzeit in Ejn-Charod absolviert hatte, an die 20-25 Jungens und Mdels. Nicht alle blieben. Fr "Machar" bedeutete das ein ernsthafter Zuwachs von Fachleuten in allen mglichen Betriebszweigen - vorerst aber mehr Mnder zum fttern. Mit zwei der Neuen fuhr ich Sommersende nach Bet Ha'arawa am Toten Meer.
Reisespesen, auch zur Fahrt zum Arbeitsplatz, waren fr "Machar" immer ein Problem. Hufig versuchte man daher sein Glck mit 'Tramp' (ein Chawer Kibuz "Machar" verlangte einmal freie Fahrt im Autobus, da er als Kibuzmitglied mittellos sei), nicht immer mit Erfolg. Alles in allem eine Nerven aufreibende Angelegenheit. Von Kfar Saba kam man nach Jrusalem nur ber Tel-Aviv. Eine Zentralstation gab es noch nicht; nach Jerusalem fuhr man von Rothschild Blvd. Nach Kalia, an der Nordseite vom Toten Meer gab es eine bequeme Autobusverbindung. Wir aber hatten die Lastwagen der 'Deadsea-Works' zu bentzen, die vom Headoffice nicht weit vom 'King David' Hotel losfuhren. Die Laster waren offen, nur mit einem niederigen Gitter ringsum gesichert. Natrlich war es auch damals verboten Personen auf offenen Lastern zu transpotieren, aber wer scherte sich darum.
Das Tote Meer liegt zu Fen der Jerusalemer Berge, zum greifen nahe. Bekannt ist die Anekdote vom jungen britischen Offizier, der, ausgerstet mit Badehose und Handtuch, von seinem Hotelzimmer in Jerusalem die 10 Minuten bis zum Strand runter zu laufen meinte. Die Entfernung ist 40 Km und der Hhenunterschied 1200 Meter. Den Lenker des Lastwagens interessierte es nicht im Geringsten, ob bei ihm jemand hinten drauf sa. Und berhaupt, Kibuzniks waren weniger als Dreck. Die Fahrer fuhren wie verrckt die Kurven der engen Strae nach Kalia hinunter, in weniger als 40 Minuten. Wir klammerten uns ans Gitter, um in den scharfen Biegungen nicht einfach vom Wagen zu fliegen, den Mund sperrweit offen gegen den wechselnden Hhendruck, der uns die Trommelfelle zu sprengen drohte.
Bet Ha'arawa befand sich einige huntert Meter nrdlich des Kali-Werks. Alle war noch im Anfang. Nur einzele Steinhuser standen bereits, geschzt ringsum durch ein 'Tropendach' (wie in Sd-Ostasien), Blechhtten, eine grosse Barakke fr Kche und Essraum und viele Zelte. Die Grnder von Bet Ha'arawa waren 'Sabres' und ehm. Angehrige der Jugendbnde. Eine Gruppe deutscher Jugendalija aus Aschdot Ja'akov schloss sich ihnen an. Und dann noch eine Menge Leute aus allen vier Winden, unter ihnen zwei 'Jekes' aus Giv'at Brenner, die die Kibuzzentrale 'aus politischen Grnden' nach Bet Ha'arawa 'verbannt' hatte. Spter, nach der Staatsgrndung, versuchte die Polizei unerwnschte Elemente der Unterwelt nach Eilat zu verbannen, solange die Verbindung nach Norden noch so ungewiss war - und die Eilater sich das gefallen liessen.
hnliche Erwgungen mag auch das Zentral-Kommitee des Kibuz Hame'uchad im Sinn gehabt haben, als die beiden 'wegen kommunistischer Umtriebe' aus Giv'at Brenner nach Bet Ha'arawa versetzte, lt. Kommitee-Beschlu. Die Stellung des Kibuz, wie der ganzen Arbeiterbewegung berhaupt, dem Kommunismus gegenber war ambivalent, wenigstens bis zum Eintritt Russlands in den Krieg. Nur schwer konnten sich die Kibuzbewegung damit abfinden, da die sowjetische Ideologie den Kibuzgdanken und den Zionismus ablehnte. Ihre Fhrer glaubten darin nur 'ein zeitweiliges Miverstndnis' zu sehen. Die antikommunistische Einstellung hatte mehr ihren Grund in der Haltung der PKP - der palstinensischen Kommunisten, die die Kibuzbewegung als solche nicht anerkennen wollte. Aber auch Ben Gurion lehnte eine Koalition mit den Kommunisten grundstzlich ab, auch nach der Staats- grndung. Na, und fr die Araber waren Russland und der Kommunismus sowie das rote Tuch.
Von Auen machte Bet Ha'arawa eher den Eindruck einer Gymnasiastenklasse bei ihrem jhrlichen Ausflug, als der harte Kern von Ansiedlern. Alle nahmen das Leben auf die leichte Schulter und nahmen ihre Umgebung nicht all zu ernst. Am Abend sa man im Kreis und sang. Irgendwelche landwirtschaftlichen Betriebe existierten noch nicht.Versuchsweise begann man einige Beete zu bepflanzen, nachdem man sie vorher mit groen Mengen Swasser berflutet hatte, die man aus dem nahen Jordan pumpte. Die Haupterwerbsquelle war das benachbarte Kali-Werk Die fest angestellten arbeiteten in der Fabrik, die Kali-Dnger aus dem getrockneten Salz des Toten Meeres erzeugte. Auch im Bromwerk (unter Leitung eines 'jekischen' Chemikers), wo das Brom in Glassballons gezogen auf riesigen Lastern durch die Wste nach Bazra transpotiert wurde.Die andere Arbeit war das Ausladen von Salzbooten, die vom Sd-Werk, aus S'dom, kamen. Die meisten Verdunstungs-Bassins, in denen das Salz durch Verdunstung gewonnen wurde, war in S'dom, die Fabrik aber, die den Rohstoff zu Dnger verarbeitet war im Norden. Das Ausschippen der Boote war Akkorarbeit, die fr gewhnlich von Hauranern aus Hadramaut (die 'Fremdarbeiter' der Epoche) und zu entsprechendem Lohn verrichtet wurde. Der Kibuz wollte diese Arbeit 'erobern' zu 50% des bliches Durchschnittslohnes. dafr waren wir in Bet Ha'arawa, denn die allein hatten nicht genug Leute, um dem Vertarg mit dem Kali-Werk gerecht zu werden. Jedes Ausladen brauchte 10-12 Menschen, die solch ein Boot in ein paar Stunden leer schaufelten, zum voraus bestimmten Akkordlohn.Ein Kran lie einen Behlter ins Boot hinunter und entlud ihn oben auf dem Kai in Feldbahnwaggons. Feste Arbeitsstunden gab es nicht, man hatte sich mit Telefonanruf im Hafen einzufinden, Tag und Nacht, wann immer ein Boot ankam. Auch dei Fabrik arbeitete Nachts. Die Leute von Bet Ha'arawa wechelten sich tglich aus, wir hatten, auf Gedeih und Verderb einen Monat durch zu halten, sonst htte sich das fr uns berhaupt nicht gelohnt.
Es war Oktober 1940 als ein Unglck in Bet Ha'arawa passierte. Zwei Jungens wurden von Arabern ermordet, als sie bei Instandhaltung der Pumpe am Jordan beschftigt waren, wenige hundert Meter vom Campus. Eigentlich war es gar kein Terror-Akt, wie wir heute sagen wrden. Der Jordan war damals politische Grenze des mandatorischen Palstinas und bergang war nur an bestimmten Grenzstellen erlaubt. Als drei Jungens nun sich mit der Pumpr beschftigten, tauchte pltzlich ein Boot von anderen Ufere auf und darin mehrere Araber. Die Jungens riefen den Arabern zu, es sei hier verboten zu berqueren. Als Antwort knallten Schsse, zwei wurden tdtlich getroffen, der dritte tauchte sofort und erreichte Minuten spter das Campus. Einen der getteten fand man sofort, den enderen am nchsten Tag. Englisches Militr durchstreifte die Gegend - nichts - es war einfach ein Zusammensto mit Schmugglern gewesen.
Noch ein zweites Mal fuhr ich hinunter nach Bet Ha'arawa. Es war im Januar, Sturm und Regen und keine Verbinding von Jerusalem zum Toten Meer. Fr Notflle hatten wir eine Addresse in der Tasche, Kibuz Ramat Rachel, dort knnten wir eine Nacht Unterkunft bitten. Esther Tobias, werdende Kindergrtnerin arbeitete dort Stage nach Beendigung des Seminars. Ramat Rachel war die Endstation der Autobuslinie 7 in Jerusalem. Dort angelangt (wir waren ein Team von zwei oder drei) glaubten wir uns am Eingang zu einem Gefngnis zu befinden - maximum security, that is - groe, dstere Gebude mit kleinen Fenstern, von einer Mauer umgeben. Der Essaal glich eher einer Kaserne: ungehobelte Tische und Bnke, an der Wand ein Riesen Bild von Trumpeldor (die Grnder Ramat Rachels waren die Mitglieder des 'G'dud' auf seinen Namen). Glichen die Gebude einem Gefngnis - die Insasse kamen gerade zu aus einem 'Gulag'-Film. Alle, Erwachsene wie Kinde, waren in schwere Mntel, Schals und Pudelmtzen eingehllt, bei der schneidenden Klte wohl das Passenste, dennoch ein nieder- drckendes Bild. Man sorgte fr unsere Unterkunft, als 'Primus' bei einem Ehepaar in einem winzigen Zimmer. Hllisch unangenehm.
Am Toten Meer kamen wir diesen Monat nicht viel zum Arbeiten. Eines Nachts riss der Sturm uns das Zelt ber unseren Kpfen weg. Das Tote Meer, sprichwrtlich fr seine Stille, schlug Meter hohe Wellen, die Verbingung nach S'dom war tagelang unterbrochen und wir saen mig, auf unsere Kosten.
Wie gesagt, das Tote Meer war nur eine unserer Erwerbsquellen. Whrend einiger Jahre war die Errichtung britischer Militrlager weitaus wichtiger fr uns, vor allem fr die Schreiner und Mauerer unter uns. Es gab auch Straenbau und das Gieen von Fundamenten fr Militrbarakken. Schon im April 1940 fuhr ich mit einer Anzahl Leuten, unter ihnen einige der frisch angekommenen Jugendgruppe aus Ejn-Charod, zum Bau einer neuen Strae, die die Firma Solel-Bone im Auftrag der Englnder durchfhrte, dicht an der gyptischen Grenze, zwischen Chan Junis und Rafa. Es war dies mein erster Frhling im Land, also fr mich schon beinahe Sommer. Unsere Moral war haushoch. Was wir dort eigentlich tun sollten wute kein Mensch. Wir sollten bloss berall sagen, wir seien Bautischler und Mauerer.
Nach Chan Junis fuhren wir von Tel-Aviv, der Bahnhof war damals noch in der 'Jehuda Halevi'. Es wimmelte von Menschen. Hunderte, die meisten mit Handwerkszeug versehen. Der Zug war kein Express aber international; er fuhr bis Kantara, am Suez-Kanal. Wie lange wir bummelten weiss ich nicht mehr, nur da wir durch Aschdod, Aschkelon und Ghaza fuhren. Die Abteile waren voll gyptern auf dem Wege nach Hause. Noch vor Chan Junis stieg die gyptische Passkontrolle ein, Rafa war ja Grenze. In Chan Junis stiegen wir aus, eine Steppenlandschaft. Das Stdtchen (oder war es nur ein Dorf?) bestand aus einer Sammlung Lehmhtten umgeben von einer Kaktushecke. Ein junger Araber, englisch sprechend, empfing uns und fhrte uns zu einem Zeltlager von Solel-Bone, dem ausfhrenden Unternehmer. Man wies uns ein Zelt an und zeigte uns ein groes, lngliches Militrzelt, die Kantine. Gefragt nach Waschmglichkeiten wies man auf einen Wasserhahn an einer Ecke des Lagers, darber hinaus zuckte man mit den Schultern. Unser gutes Gefhl bestrkte ein Haufen lterer Araber, die mit erhobenen Hnden "Heil Hitler!" schrieen.
Der Bau der Stre von Chan Junis nach Rafe erfolgte unter Aufsicht englicher Offiziere. Der Boden war Sand, und das ermglichte schnelle Arbeit, ohne besondere Verbereitungen. Die Methode war neu, zu mindest in Middle East: Gradieren und Asphalt gieen, ohne Pflastern und ohne Schotter. Das sagt aber nicht, da die Arbeit voll mechanisiert war. Ein Heer von Arbeitern, zum berwiegenden Teil ortsansssige Araber, waren mit der Gradierung des abgesteckten Raums beschftigt; das Baumaterial lieferte der Boden selbst: zur Vorbereitung des 'Profils' hielten zwei Leute die "Schablone' und Dutzende mit der Turia in der Hand vollbrachten, was sonst eigentlich die Aufgabe eines 'Graders' gewesen wre. Die Schablone hielten Juden, Facharbeit fr die Intelligenz, immer blieb gengend Raum fr Ungenauigkeiten. Den Englndern aber ging es mehr um schnelle Durchfhrung als Genauigkeit und auf ein Nevellier zur Kontrolle des Profils vor dem Asphaltguss verzichteten sie.
Die Asphalt-Giemaschine 'Mix and Place' war fr die Drfler sicher das siebente Weltwunder. Sie mischte Sand mit Asphalt, go das Gemisch genau in Hhe und Breite auf das abgesteckte Profil und walzte es gleich das erste Mal. Der Asphalt aber wurde in Fssern geliefert, der ber einem Feuer erwrmt und im Hllentempo in die Maschine gekippt zu werden hatte, denn man schaffte bis zu einem Kilometer am Tag. Auf der einen Seite des Mixers fuhr ein Wagen mit Sand, auf der anderen der Wagen mit Teerfssern ber Feuer. Das Tempo war mrderisch. Mit Teer verklebter Flaschenzug und Handkurbel erleichterten keineswegs das Heraufwinden der Fsser zum Einlauf in den Mixer.
Straengrben, Banketts, Unterfhrungen, alles wurde mit der Hand gemacht. Es war Frhling und die Zeit der 'Chamssine' und glhenden Sandstrmen. Sand drang in Nase Ohren und Augen ein, die Lippen platzten auf. Waschen am Hahn mit kaltem Wasser war ein Ding der unmglichkeit, Solar und Teer gingen damit nicht runter, von der Kleidung garnicht zu reden. So verging der Monat April. Zum 1. Mai gab der Leiter bekannt, da wir auch an diesem heiligen Tage arbeiten mten, der Kriegsanstrengung wegen, er versprach uns aber, da Berl Kazenelson hchstselbst voruns, den Werttigen erscheinen wrde, zu Ehren des ersten Mai. Am 1. Mai tobte ein entsetzlicher Chamssin, mit Sandsturm und 40 Grad im Schatten. Wir arbeiteten weiter, mit entzndeten Augen. Wir banden uns den Mund mit Taschentchern zu und warteten auf das Erscheinen des getreuen Tribuns. Gegen Abend gab der leiter bekannt, Berl sei unabkmmlich und anderweitig beschftigt mit dringenden Angelegenheiten des in Zion wohnen jdischen Volkes - wir aber hatten unser Teil zum Kriegseinsatz der Alliierten gegen die Nazis gespendet.
Im kommenden Winter des selben Jahres ging ich mit einer anderen Gruppe als 'Gehilfe' eines Bautischlers nach Qastina. Das im Bau befindliche Militrlager, einer der grten im Land, ersteckte sich ber ein Gebiet das heute Achim-Junction, Kirjat Malachi und den anliegenden Industrie-Park umfasste, bis in die Nachbarschaft von Moschaw Be'er Tuwia der damals schon. als einziger jdischer Punkt in der ganzen Umgebung existierte. An der Spitze unserers Teams stand Motke, ein erfahrener Bautischler, der sich hauptschlich auf Bau und Errichtung von Barakken verstand. Die Barakken wurden an Ort und Stelle zusammen gezimmert, Wnde und Dcher aus Brettern und Balken mehr oder weniger vorgerichtet. Was man brauchte waren Hammer und Sge. Errichtet wurden die Barakken auf Beton-Fundamenten, eine Arbeit der Beton-Leute. Ich hatte kleinen blassen Schimmer, was mein bescheidener Anteil am Werk dabei zu sein hatte. So dachte scheinbar auch der Arbeitsleiter, der mich umgehend, in Kompagnie mit einem jungen Araber, zum Schieben einer 'Jabonka' berwies. Eine Jabonka ist eine Eisenkarre auf zwei Rdern, in der man flssigen Beton vom Mixer zum Empfangsplatz ber schmale Holzverschalung zu schieben hatte, und das im Tempo, wobei das Vehikel kaum in der Balanze zu halten war. ber stolperige Holzverschalungen und Betoneisen erzeugte die zhe, schwappende Betonmasse ihre eigenen G-Krfte und drohte uns beide umzuwerfen. Jeder Beruf verlangt seine Handfertigkeit; die schwappende Jabonka im Laufschritt fort zu bewegen, wie es sich fr einen erfahrenen Bauarbeiter geziehmt, das war schon etwas. Weit hinten schrie man "Beton! Beton!" und wir saen irgendwo fest ... Ein alter Arbeitsleiter von Solel Bone, der zufllig vorbei kam, murmelte einen Fluch auf Jiddisch, (in freier, druckreifer bersetzung) seinen Zweifel an meiner und des jungen Araber Fhigkeiten ausdrckend, diesen hohen Bruf mit gengender Eleganz ausfhren im Stande zu sein: "Sei toigen beide oif Kapores!"
Wir wurden zum Betonmixer versetzt, einer der greren Modelle die ein Viertel Kubikmeter auf einmal mischen, vier Schubkarren. Viermal 2 Eimer Schotter, 2 Eimer Sand und 1 Eimer Zement hatten wir in den Mixer zu schaufeln, und das unter der Bedingung, da der britischen Sergeant, der die Arbeiten beaufsichtigte, nicht zugegen war. Andererseits waren es dann 2 Eimer Zement. Die Gegenwart des Englnders stand im direkten Verhltnis zu der Menge von Whisky, die die Leute von Solel Bone (oder auch jeder andere Unternehmer) ihm einzuflen schafften. Ich hatte den Zement in den Mixer zu schtten. Ein Berg von Papierscken mit Zement der Firma 'Nescher' war neben einer tiefen Holzkiste aufgestapelt. Die Kiste mute aufgefllt werden, bevor man die Eimer mit Zement schpfen konnte, kein besonders schwieriges Unterfangwn - wenn man nicht gerade den Wind im Gesicht hatte und man selbst zu einer Betonstatue wurde. Und Camp 'Be'er Tuwia', so hiess der Platz im Volksmund, hatte keinen besseren Waschraum als Chan Junis - der einsame Wasserhahn am Ende dea Lagers.
Qastina glich einem Ameisenhaufen, Tausende arbeiteten dort, meistens natrlich Araber. Unter den Juden fiel eine Gruppe Jugendlicher auf, die Holzverschalungen von Ngeln reinigten. Bei Solel Bone sprach man von ihnen mit groem Respekt: "Krit-Amerika!". Es war eine Gruppe Jugendalija aus Amerika, die sich Kibuz "Negba" angeschlossen hatte. Nega hatte sich krzlich als sdlichster Kibuz in Erez Jisrael nicht weit von hier angesiedelt. Das Besondere an dieser Gruppe scheint ihre amerikanische Herkunft gewesen zu sein; sie alle erinnerten ein wenig an eine Norman Rockwell-Zeichnung in der 'Saturday Evening Post', die Mdels mit Zpfchen und Schleifchen, die Jungens sorgfltig rasiert und gekmmt.
All diese Ttigkeit war nicht mehr als eine Existenz 'von der Hand in den Mund'; Ich weiss nicht, wieviel nach Abrechnung der Unkosten davon brig blieb - so sah unser Erwerb eben aus. Aber nicht nur bei uns Kibuzniks. Ein groer Teil der Arbeiterschaft im Land htte mit Freuden einen Arbeitsplatz in einem Militr-Camp angenommen. Das war es, was zu haben war; sogar die Chawerim von Be'er Tuwia konnten es sich nicht leisten auf die Arbeit im Camp zu verzichten.
Kibuz "Machar" versuchte seine Einnahmen auch anderweitig zu vergrern. Die fnf Dunam Gemsegarten habe ich schon erwhnt. Die Ernte verkaufte man an die Gemselden in Kfar Saba. Viel bekam man nicht dafr, das Preisniveau bestimmte der arabische landwirtschaftliche Sektor, der eine Flle von Produkten fr beinahe gar nichts anbot. Gab die Kuh Milch, so wurde diese in die nahe Molkerei geschickt. Dann hatte man auch eine Wschrei fr Auendienst eingerichtet, Kunden waren einige Falien in Ramot Haschawim und im benachbarten Sde Warburg. Einige Frauen arbeiteten auch als Hausgehilfinen in Kfar Saba. Die Arbeit im Haushalt des Zahnarztes sollte die Zahnbehandlung dere Chawerim decken...
Und dann waren noch die Angora-Kaninchen, die in uerst primitiven Bedingungen gehalten wurde, hundert oder auch mehr. Ihre Ernhrung war ein Problem. Ausser Grass, dass es im Winter in Hlle und Flle gab, muten ihnen auch Proteine verabreicht werden, in Form von Blut aus dem Schlachthaus, dass mit Trockenfutter vermischt wurde. So fuhr ich dann eine Zeit lang tglich mit einer Kanne Milch in die Molkerei und zurrck mit Blut vom Schachthaus (in derselben Kanne). Das Haar der Angora-Kaninchen war natrlich das Ziel der Aufzucht. Die Tiere mute man fters mit einem breit zhnigen Kamm kmmen. Die Wolle wurde auf einem Spinnrad aus Gromutters Zeiten versponnen. Wohin sie verkauft wurde, weiss ich nicht mehr. Die Tiere waren uerst empfindlich gegen Hitze und ein Chamssin konnte eine ganze Zucht vernichten.
Was nocht versuchten wir? Man kochte Schokoladenaufstrich fr eien Lebensmittelladen. Wir begannen eine 'Kleinindustrie' zur Erzeugung von therischem l aus Apfelsinen. Ein Schwamm montiert auf ein Spinnrad rieb Apfelsinenschalen und saugte dadurch das l aus der Schale auf. Ab und zu drckte man den Schwamm in einen Behlter aus. Ein Liter therisches l rechnete man als einen Arbeitstag; aber nicht von acht Stunden.
Wir nahmen auch Kinder 'von drauen' auf, zahlende Gste, die in den Kinderhusern untergebracht wurde, dem Alter entsprechend. Ich glaube kaum, da wir viel daran verdienten, der Vorteil lag eher auf seiten der Kinder und ihrer Eltern. Der Aufenthalt war meistens auf einige Monate beschrnkt, wenn auch in ein oder zwei Kinder blieben. In dem Falle schlossen sich die Kinder einer Familie an und wurden quasi 'adoptiert'. Der Grund, da Eltern Kinder in einen Kibuz gaben war in vielen Fllen, da es sich um 'schlechte Esser' handelte und der Arzt dazu riet. Oder eine arbeitende Mutter (manches Mal nach Scheidung) suchte zeitweilige Lsung. Auch die Eltern waren alle Angestellte, die nicht viel zahlen konnten - und was das Kinderhaus den kleinen Gsten bieten konnte war nicht mehr als ein bescheidener Lebensstandart und viel viel Wrme.
Prinzipiell hatte der Kibuz fr die Bedrfnisse einer Mitglieder zu sorgen - Essen, Kleidung, Schuhe. Die Kleiderkammer nhte Kleider fr die Frauen und Hosen fr die Mnner und man war der Meinung, da das nicht nur besser sondern auch billiger als fertig gekauft sei. Auch Schuhe fertigte man nach Ma an, zwei Schuhmacher, die ihre Ausbildung bei 'Bata' in der Czechoslowakei genossen, nhten Schuhe. Aber die Wirtschaftler der Kibuzbewegung lernten bald, da Heimarbeit keineswegs mit der Industrie konkurieren kann. Schon in den 40iger Jahren erffnete der 'Maschbir Hamerkasi' seine Verkaufsrume in Tel-Aviv fr die Mitglieder der Kibuz- und Moschawbewegung. Aber wer konnte sich damals leisten, wirtschaftlich zu denken und zu rechnen? Erst nach Staatsgrndung organisierte der Kibuz Hame'uchad seine Verkaufszentren. Ende der Fnfziger besiegte die Industrie endgltig das Spinnrad und man deckte fortan seine Bedrfnisse auf dem freien Markt.
Wsche wurde gewaschen wie in jedem Haushalt, mit der Hand, mit Waschbrett und Kernseife. Wohlgemerkt, kein ffentliches Institut, Hotel, Krankenhaus, mit groen Mengen von Wsche, erlaubte es sich, tglich secheinalb Arbeitstage in Handwsche zu investieren. Dazu gab es auch damals schon Waschmaschinen. In Kibuz "Machar" aber wusch man Wsche wie im Jugendlager, mit der Hand, auch die weitaus grere Menge Kinderwsche. Der Angsttraum der Kleiderkammer war, da sich nicht gengend Menschen fr die Wscherei finden wrden.
Wie ich ankam waren erst wenige Kinder in Kibuz "Machar", nicht mehr als 10-12, Kleinkinder. Sie waren im Steinhaus untergebracht, wie damals blich: zwei Zimmer zum Schlafen und zwei zum Aufenthalt. Ob es einen Baderaum gab, erinnere ich mich nicht mehr. Was mir in Erinnerung blieb ist eine Gallerie von Nachttpfen.
ber die Kindererziehung in der Kibuzbewegung habe ich schon gesprochen. Das Prinzip war allen Stmungen gemeinsam. Aber ber alle Ideologie und Wirklichkeit hinweg regte sich manches Mal der Zweifel im Herz der jungen Mutter, wenn sie ihr Neugeborenes dem Suglingshaus und damit dem Kibuz zur geinsamen Erziehung bergeben sollte. Und mancher junge Kibuz zerbrach an den Hemmungen der jungen Mtter.
Kinderpflegerinnen waren Fr das Wohl der Kinder bestellt. Waschen, Anziehen, Spazieren gehen. Eine besondere Kinderkche sorgte fr das Essen, eine Kinder-Kleiderkammer sorgte fr Wsche und Kleidung. Berechnet man die Anzahl der Arbeitstage, die ein jedes Kind kostete, so ergab sich ein ganz anderes Bild von effiency und Billigkeit, als es die Verfechter der gemeinsamen Kindererziehung uns weismachen wollten. Im Kibuz lag jede Berechnung einem Arbeitstag von acht Stunden zu Grunde. Nicht jede Frau kann in den Pardess gehen Apfelsinen pflcken und ihre Arbeit bei Kindern und Kche ist nicht weniger notwendig (wenn auch nicht 'einbringend', wie die gelufige Redewendung es haben wollte). So schien jede Arbeitskraft am geeigneten Platz ausgenutz, auf dem Papier wenigstens, denn so manche Frau arbeitete whrend der Schwangerschaft berhaupt nicht und Arbeit bei Kindern und Kche ist letzten Endes auch ein Beruf. Aber Kinderpflege, das macht jede Hausfrau in ihrem Haushalt nebenbei, auch wenn sie auerdem noch drauen arbeitet. Sozialer Fortschritt erweisst sich somit in der untersten Reihe als eine Geldfrage.
Was die Ernhrung der Kinder betraf, so waren die Meinungen geteilt, nicht nur im Kibuz. Im ganzen Land glaubten viele, die Ernhrung der Kinder drfte keinesfalls von der wirtschaftlichen Situation der Eltern beeinflusst sein. Banana'le, Sahne, Butter, pfel zu 4 das Kilo, alles das war in den Augen vieler 'Mammes' nicht mehr als das Minimum. Die Kinderrzte ihrerseit teilten auch damals diese Ansicht durchaus nicht. Sie versuchten ihre Umgebung davon zu berzeugen, da Margarine nicht weniger nahrhaft ist als Butter, da man sehr gut ohne Sahne auskommen kann und da Apfelsinen umsonst aus den Pardess nebenan durchaus Prestige-pfel zu vier Pfund das Kilo ersetzen. Damals aber fanden derartige Ansichten wenig Gehr, sei es, da viele der Einwanderer des europischen Mittelstandes es sich nicht verzeihen konnten, da der Preis, den sie fr ihren Zionismus zu zahlen hatten, ein Leben unter der 'poverty line' war.
Whrend der ersten Jahre in Kibuz "Machar" war die Frage der Erziehung der geringen Anzahl von Kindern noch nicht so brennend. Geeignete Pflegerinnen fehlten nicht - nur da nicht eine jede ber gengend Kenntnisse der hebrischen Sprache verfgte. Mute einmal die bestimmte Kinderpflegerin ausgewechselt werden, sei es wegen Krankheit, oder sie war dringend im Apfelsinenpackhaus bentigt, so muten sich die Kinder mit dem 'Jiddisch' oder Deutsch der Ersatzpflegerin begngen.
Als ich nach Kibuz "Machar" kam, sprach man schon Ivrit auf den wchentlichen Versammelungen, es gab auch Sprachunterricht; gengend begabte Sprachlehrer gab es unter uns. Die lhmende Mdigkeit aber die zermrbende Fron des Tages liess die Lernenden ber ihren Heften einschlafen. Ich selbst lernte whrend der ersten Jahre kaum etwas zu dem zu, eas ich von Holland an Sprachkenntnissen mitgebracht hatte.Schlimmer noch war es um die Frauen bestellt. Nach Tagesarbeit und die Kindern dazu konnten sie viele berhaupt nicht noch bei Ivrit-Stunden konzentrieren. Es gab auch schon einige 'Ulpanim' der Ssochnut. Ein Sprachkurs fr Neueinwanderer dauerte drei Wochen und kostete berdies noch Geld. Spter lernte ich einige Frauen der Grnder-Schicht von Aschdot Ja'akov kennen, einige von ihnen Akademiker europischer Universitten - Ivrit schreiben konnten sie nicht, in ihrer Jugend, wie sie ins Land kamen, hatten sie nicht die Zeit es zu lernen.
'Die Gesellschaft' - die Philosophen des 18ten Jahrhunderts sahen in ihr etwas mystisches, eine Krperschaft aus Individuen zusammengesetzt, die sich, dem Willen Gottes entsprechend, zu einer 'Gesellschaft' zusammenschliessen. Die Obrigkeit ist ihr vertraglich verpflichet, Rechte und Pflichten der 'Unterzeichneten' zu wahren. Die Gesellschaft vertritt, reprsentiert den Einzelen - der Einzele aber kann nicht der Allgemeinheit seinen Willen aufzwingen. Es ist die Gesellschaft, die zum Hter von Kultur und berlieferung bestellt ist. Die 'Sttzen der Gesellschaft' sind auch ihre Richter. Die Gesellschaft erzeugt Wrme, aber auch innere Spannungen. Lenin sah in der 'Gesellschaft' einen politischen Ausdruck - die Kibuzbewegung die Verwirklichung des sozialistischen Zionismus.
Die Gesellschaft drckt ihren Willen durch die Mitgliedsversammelung aus, die oberste Instanz im Kibuz. Die Mitgliedsversammelung bestimmt ihre Gremien und besttigt die Be- schlsse der gewhlten Leitung. Abstimmung durch Wahlurne aber macht aus der 'Gesellschaft' eine anonyme Krperschaft. Innere Spannungen sind nicht selten der Ausdruck von Interessenskonflikten, die eine effektive Abwickelung der Geschfte stren knnen. Gleich- gltigkeit von Seiten der Mitglieder den ffentlichen Angelegenheiten gegenber entleert die Mitgliedsversammelung ihres Inhalts und verwandelt sie zu einer bloen Formalitt. Die Folge ist eine gewhlte Administration und Verlust der Unmittelbarkeit der Mitgliedsbeschlsse.
Gewiss, die Form der 'souvernen Generalversammlung' nderte sich im Laufe der Zeit. Im Wilden Westen bestimmte das Meeting der Einwohner durch Stimmehrheit, ob der Deliquent am nchsten Baum vor der Town-Hall aufgehngt werden sollte. Die Chawerim der Kibuzim Degania und Kineret verteilten die Arbeit fr den nchsten Tag durch Abstimmung der Mitgliedsversammelung. Demgegenber hrte ich letztlich von einem Kibuz (oder Moschaw), der berhaupt keine Generalversammelungen mehr abhlt. Es bedarf wohl keiner besonderen Erwhnung, da die wirtshaftliche Situation dort eine solche ist, da die dort Mitglieder keinerlei Forderungen oder Anliegen an ihre Leitung haben. Man hat mich gebeten, nicht den Namen dieses beneidenswerten Ortes zu nennen...
In Kibuz "Machar hielt man Generalversammelungen ab, whlte die Kibuz-Leitung und die verschiedenen Kommissionen. Die Wahl war fr eine Jahr; nicht immer Mitglieder der Leitung oder der Kommissionen das Jahr durch. Es gab nicht wenig Interessens-Konflikte zwischen den verschieden Gremien und der Leitung und nicht selten sah sich der eine oder der andere, oder auch alle, gezwungen das Amt niederzulegen, auerstande die obliegende Pflichten zu er- fllen. Die berragende Figur in dem ganzen Spiel war der 'Gisbar' oder finanzieller Ge- schftsfhrer, der im Grunde alles was sich im Kibuz abspielte bestimmte. Er war es, der ber die Mittel unserer Existenz verfgte. Ihm gegenber stand der 'Sekretr fr innere Angelegenheiten', dem die Sorge fr die tglichen gesellschaftlichen Dinge oblag und oberste Instanz fr die Kommissionen, Erziehung, Wohnung, Kleidung, Kche, Personalia, Kontrolle - unsere ganze kleine Welt. Aber wie immer - die unterste Reihe der Rechnung war Geld. An der Mauer einer hoffnungslosen finanziellen Wirklichkeit zerschellte manches Ideal einer neuen Gesellschaftsordung. Die sogenannten Kommissionen konnten somit nicht mehr als das Notwendigste erreichen, keinesfalls ein Budget aufstellen. Es gab ja keine Wirtschaft auf Grund deren Einnahmen man disponieren konnte. Die Wohnungskommission konnte keine Wohnungen bauen; sie konnte nur auf unvorher gesehene Flle vertrsten, dank deren ein Zimmer frei wurrde - hnlich wie einer heutzutage auf einen Herztransplant wartet. So war es mit Kleidung und Schuhen und so das Kopfzerbrechen der 'Gesundtheitskommission', wenn ein Krankheitsfall Ausgaben ber die Versicherung der Krankenkasse notwenig machte (und war auch nicht immer sicher, da der 'Gisbar' die monatlichen Beitrge an die Kupat Cholim pnktlich zahlte). Besonderes Kopfzerbrechen verursachten Schwangerschaften.
Im Gegensatz zum 'Schomer Haza'ir' mischte sich die Bewegung des 'Kibuz Hame'uchad' nicht in die Familienplanung ein. Der 'Kibuz Ha'arzi' des 'Haschomer Haza'ir', wie sich diese Kibuz-Strmung nannte, vertat grtmgliche 'effiency' auch auf dem Gebiet der Eugenie und wollte die Entwickelung der Erziehungsinstitutionen (Kinderhuser, Schulen) einer genauen Planung unterworfen sehen. Und das nicht nur betreffend der Geburtsrate sondern auch dem Geburtenzeitpunkt. Die Gruppen der Babies im Suglingshaus sollten sich sofort auffllen und nicht whrend eines lngerem Zeitraumes. Innerhalb der verschieden Altersstufen sollten keine groen Alterunterschiede bestehen - und das auf Grund sorgfltiger Planung, den Bedrfnissen des Kibuz entsprechend. Mit anderen Worten, einer der Faktoren in diesem Plan, neben einer Reihe anderer, die Eltern nhmlich, waren letzten Endes die allein Verantwortlichen zu seiner Erfllung. Ein ideologisches Ziel ohne jeden Tadel - ich weiss nur nicht, ob sich irgend ein Kibuz darin versucht hat. Laut Sekretiats-Beschlu hin schwanger zu werden gem dem Arbeitsplan einer Brutanstalt - ich glaube kaum da sogar in den 40iger Jahren jemand darauf eingegangen wre. Etwas hatte die 'effiency' im Kleinkinderhaus dennoch erreicht, wie man mir erzhlte. In einem der Kibuzim (wo sonst, wenn nicht im 'Haschomer Haza'ir) saen die Kleinen am Morgen, in einer Reihe ausgerichtet, auf ihren Tpfen, jedes ein Stck Brot in der Hand, zwei Durchfhrungen in einem Arbeitsgang - Time is Money, auch in sozialistischer Planwirtschaft.
Wie gesagt, der 'Kibuz Hame'uhad' hatte keinerlei Bestrebungen sich in das Privatleben seiner Mitglieder derartig weitgehend einzumischen und zog es vor, der Natur ihren Lauf zu lassen - wenn auch nicht ganz... Niemand plante Geburten, man erwartete aber von den Chawerim, der ungeschriebenen Regel nach sich auf diesem Gebiet einzuschrnken. Jedes Kind, das zur Welt kam, war fr den Kibuz eine schwere Belastung. Daher war jede Schwangerschaft, auch die erste einer jungen Frau, von Schuldgefhlen ihrer Umgebung ge- genber begleitet, als ob hier ein Unrecht geschhe: man zwingt der Allgemeinheit wider ihren Willen neue Ausgaben auf. Nicht selten konnte man in Gesprchen heraushren, die Geburtsziffern belasten vor allem die Ledigen.
Alles hat aber seine zwei Seiten, und die zweite Seite der ganzen Angelegenheit war, da nicht jede junge Mutter durchaus bereit war, ihr Neugeborenes so ohne weiteres dem Kinderhaus anzuvertrauen. Nicht ganz grundlos: in vielen Kibuzim, besonders in den lteren, war des Regime in den Suglingshusern ein uerst strenges. Die alt eingesessenen Pflegerinnen dort htten es am liebsten gesehen, wenn es zu den Babies, die ihnen bergeben wurden, berhaupt keine Mtter da gewesen wren. Mtter waren unbequem und strten die laufenden Arbeiten. Sie steckten ihre Kpfe mehrmals am Tage herein und bten, Gott behte, sogar Kritik. Wollen das Baby vielleicht baden und wechseln. Im Wege sein. Sollen die Mtter ruhen gehen, wer braucht sie berhaupt.
Viele der jungen Mtter ihrerseits waren von Natur aus mitrauisch. Sie waren nicht so ohne weiteres bereit der alterfahrenen Pflegerin einfach nachzugeben. Ein Beispiel dazu war Kibuz 'Ga'aton', ein junger Kibuz, der sich, zeitweilig natrlich, in Naharia in einer Reihe Barakken und leer stehenden Hhnerstllen niedergelassen hatte. Immer wieder verschob sich dort die Erffenung eines Kinderhauses, da die jeweils frischbebackene Mutter ihr Neugeborenes um keinen Preis 'zur zentralen Pflege' bergeben wollte. Als Konsquent verlies-sen die Jungen Paare, eines nach den anderen, den Kibuz und es ist durchaus nicht sicher, da sie bei den Hungerlhnen, denn was anderes erwartete sie schon 'drauen' als 'selbststndige' Arbeiter, ihr Kind besser aufgezogen htten. (Ga'aton ist heute Ne'ot Modekhai im unteren Galil). Noch kurz vor Beginn des Krieges 1947/8 rief man Nanni aus Gvaram in den Kibuz 'Rivivim', damals noch 'Bir Asludge', sdlich von Be'er Scheva, um das Suglingshaus zu organisieren und einigen revoltierenden Mttern die Lehre der Gemeinschaftserziehung einzu-bluen.
Nach alledem war das Erziehungssystem im Kibuz Hame'uchad gar nicht so einheitlich. 'Ejn Charod' z.B. hatte ein Suglingshaus, darber hinaus aber logierten die Kinder bis zum Alter von 12 Jahren bei ihren Eltern (schon in den dreissiger Jahren), aus rein technischen Grnden, wie mit jemand erklrte. Die groe nderung kam erst nach der Spaltung des Kibuz Hame'uchad Mitte der 50iger Jahre. Ich weiss nicht, ob auch die Suglingshuser davon betroffen wurden. Fr die junge Mutter war es bestimmt bequemer ihr Kind bei sich im Zimmer (oder Wohnung) zu haben um nicht bei Nacht und Regen zum Stillen ins Suglingshaus zu laufen. Und alles alles brige? Nun, jedes Ding hat zwei Seiten, seine Vor- und seine Nachteile. Die Gemeinschaftserziehung beschftigt seit eh und je die Psychologen, in der ganzen westlichen Welt brigens; zu welchen Schluss sie bis dato gelangt sind weiss ich nicht.